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Aktuell Prozess

Angeklagte nach Bandendiebstahl in der Metzinger Outletcity verurteilt

Über die Grenze, um zu stehlen: Drei tschechische Männer und eine Frau saßen am Montag im Reutlinger Amtsgericht auf der Anklagebank. Sie sollen hochpreisige Kleidung und große Summen an Bargeld gestohlen haben – nicht nur in Metzingen.

Ein Ladendiebstahl (Symbolbild).
Ein Ladendiebstahl (Symbolbild). Foto: dpa
Ein Ladendiebstahl (Symbolbild).
Foto: dpa

METZINGEN. Nachdem sich die vier Beschuldigten am Nachmittag des 13. Mai 2024 zunächst in Tschechien auf Diebstahltour begeben haben sollen, fassten sie am selbigen Abend den Entschluss, ihre kriminellen Pläne in Deutschland weiterzuführen. So hieß es zumindest in der knapp 45-minütigen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, mit der am Montag eine von mehreren geplanten Verhandlungen startete. Wegen des Vorwurfes des schweren Bandendiebstahls hatten die tschechischen Angeklagten bis dato bereits rund ein halbes Jahr in Untersuchungshaft in Augsburg und Tübingen verbracht.

Demnach fuhren die Angeklagten am Tattag – unter dem Einfluss von Drogen – über die Grenze nach Deutschland, wo sie zunächst in Metzingen Halt machten. In der Outletcity angekommen, entwendeten sie in den hochpreisigen Geschäften Moschino und DSSQUARED2 einige Jeans und Pullover im Gesamtwert von rund 3.000 Euro. Nachdem die Bande von einem Ladendetektiv erwischt wurde, konnte sie in Richtung Bad Urach entkommen und landete schließlich in Münsingen, wo der kriminelle Drogenrausch, wie einer der Angeklagten es beschrieb, in privatem Wohnraum weiterging.

Wohnungseinbruch in Münsingen

Über ein Schlafzimmerfenster gelang es den Angeklagten, in eine private Wohnung einzusteigen, in der sie »alles mitgehen ließen, was man gut verkaufen, oder für sich selber nutzen kann«, fasste Richter Eberhard Hausch zusammen. Insgesamt ergaunerte die Bande hier Gegenstände im Wert von rund 9.000 Euro. Darunter erneut einige teure Markenpullover, Parfums, Goldschmuck und Zigarettenstangen. Von ihrem Diebeszug immer noch nicht befriedigt, fuhren sie weiter nach Winnenden, wo sie »noch mehr Diebstähle begingen«, so die Staatsanwaltschaft. Unter anderem brach die Gruppe dort ein Auto auf, aus dem sie einen Geldbeutel mit rund 5.000 Euro stahlen. Auch einen E-Scooter aus einer Garage nahmen die Kriminellen mit.

Insgesamt 16 Zeugenanhörungen waren im Prozessverlauf vorgesehen – ursprünglich. Da der Vorsitzende Richter Hausch jedoch die sprachlichen Barrieren trotz Dolmetscherin für recht kompliziert erachtete, zog er sich mitsamt Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Schöffen unmittelbar nach der Verlesung der Anklageschrift zu einer internen Besprechung zurück. Das Ergebnis: Sollten alle vier Beschuldigten ein Geständnis ablegen, könnte noch am selben Tag, ganz ohne die Anhörung etwaiger Geschädigter oder anderer Zeugen, Urteile fallen.

Angeklagte räumten Vorwürfe vollumfänglich ein

Der Reutlinger Richter fasste das Besprochene für die Anwesenden im Saal zusammen: »Es wurden teure Artikel gestohlen, von denen viele bereits von der Justiz beschlagnahmt wurden, sodass die Täter dadurch keine Vorteile mehr haben.« Außerdem hätten es Ausländer in deutschen Gefängnissen viel schwerer, da sie sich nicht wirklich unterhalten können. Zu berücksichtigen sei für die Urteilsfindung auch, welche Angeklagten eventuell bereits vorbestraft sind, welche treibende Kräfte waren und welcher Auslöser hinter den Taten stehe. »Immerhin steht ein Suchtproblem mit Drogen im Raum«, zählt er möglicherweise strafmildernde Tatsachen auf.

Im Gegenzug dazu habe vor allem der Einbruch in privaten Wohnraum eine schwere Gewichtung bei der Urteilsfindung, der zusätzlich zu den vielen Diebstählen begangen wurde: »Für die Betroffenen war und ist es sicherlich kein angenehmes Gefühl zu wissen, dass von Fremden in den persönlichen Sachen herumgewühlt wurde«, so Hausch. Das könne auch eine Entschuldigung, wie sie die Angeklagten gegenüber den Geschädigten äußerten, nicht wiedergutmachen. »Vor diesem Hintergrund hat das Gericht sich überlegt, wie man auf ein mögliches Geständnis reagieren könnte«, führte der Reutlinger Richter weiter aus und unterbreitete den Angeklagten und ihren Verteidigern Vorschläge, die schließlich von allen angenommen wurden.

Zwei von vieren auf freiem Fuß

Für die nicht vorbestrafte Angeklagte bedeutete das eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ihren ebenfalls bis dato nicht justizbekannten Mittäter – der demnächst Vater werden soll – verurteilte das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. »Ich glaube und hoffe, dass das halbe Jahr Haft einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, sodass die Angeklagten nie wieder etwas Derartiges tun«, ergänzte Eberhard Hausch das Urteil. In beiden Fällen wurde der Haftbefehl aufgehoben. Bei erneuter Einreise nach Deutschland würden als Bewährungsauflagen 300 Stunden soziale Arbeit fällig werden. Für die Angeklagte und ihren freien Kollegen käme eine Rückkehr, wie sich zumindest anhand der Kopfschüttler erahnen ließe, sowieso nicht infrage.

Die beiden bereits straffällig gewordenen Tschechen hingegen konnten sich nicht von ihren Handschellen lösen und müssen weiterhin in Haft bleiben: Insgesamt wurde ihnen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und jeweils neun und zehn Monaten Haft – ohne Option auf Bewährung – auferlegt. Da bei allen Beschuldigten eine Drogensucht festgestellt werden konnte, die laut dem Gericht erheblich zu den begangenen Taten beigetragen habe, stellte Richter Hausch den beiden weiterhin Inhaftierten frei, ob sie ihre Strafe lieber im Gefängnis oder in einer Therapieeinrichtung verbüßen möchten. (GEA)

Im Gerichtssaal

Richter: Eberhard Hausch; Verteidiger: Sebastian Schindel, Matthias Kohla, Matthias Bolay, Michaela Hegendörfer; Staatsanwalt: Alexander Bauer, Schöffen: Karin Bachleitner, Dr. Utz Wagner