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Aktuell Kirchenkonzert

Zorn, Furcht und Flehen: Martinskantorei Metzingen mit Mozarts »Requiem«

Am Samstag führte die Martinskantorei Metzingen unter Leitung von KMD Stephen Blaich und KMD Peter Ammer in der Martinskirche Metzingen mit großer Geschlossenheit Mozarts »Requiem« auf. Dabei stand das Konzert zunächst auf der Kippe.

Die beiden männlichen Solisten in der Metzinger Aufführung des Mozart-Requiems: Lars Tappert (Tenor) und Jan-Henrik Witkowski (B
Die beiden männlichen Solisten in der Metzinger Aufführung des Mozart-Requiems: Lars Tappert (Tenor) und Jan-Henrik Witkowski (Bass) Foto: Susanne Eckstein
Die beiden männlichen Solisten in der Metzinger Aufführung des Mozart-Requiems: Lars Tappert (Tenor) und Jan-Henrik Witkowski (Bass)
Foto: Susanne Eckstein

METZINGEN. Was tut ein Dirigent, wenn er während der Proben von einem Corona-Gehörleiden eingeholt wird, mit dem er das fast einstündige Mozart-Requiem nicht mit hundertprozentiger Sicherheit leiten kann? Er sagt das Konzert nicht ab, sondern sucht einen Einspringer – keine leichte Aufgabe angesichts der Anforderungen einerseits und der vollen Terminkalender der Kollegen andererseits.

Doch in dem aus Reutlingen gebürtigen Kirchenmusikdirektor Peter Ammer fand Stephen Blaich einen würdigen Vertreter für die Aufführung von Mozarts »Requiem« am Samstagabend in der Metzinger Martinskirche. Ammer ist zwar vielseitig beansprucht (unter anderem als Präsident des Verbandes Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland), präsentierte sich dem zahlreich erschienenen Publikum aber als spürbar engagierter Ersatz mit breiter, sprechender Gestik.

Selten aufgeführte Kantate

Den Anfangsteil des Kirchenkonzertes mit der Martinskantorei und dem Orchester Concerto Tübingen übernahm Stephen Blaich selbst: zunächst die selten aufgeführte Choralkantate »Wer nur den lieben Gott lässt walten« von Felix Mendelssohn Bartholdy, in der dieser sich mit dem Vorbild Bach auseinandersetzt, grundiert durch farbige Harmonik. Ein anspruchsvolles Werk für einen gut geschulten Chor samt Orchester, von der Martinskantorei und den Tübinger Streichern klang- und kraftvoll zu Gehör gebracht, mit Susan Eitrichs weichem Sopransolo in der Mitte.

Als Einstimmung auf die religiöse (katholische) Welt vergangener Zeiten konnte man Anton Bruckners Adagio-Satz aus dem Streichquintett F-Dur erleben. Obgleich die Nebenstimmen gegenüber den Violinen etwas zu kurz kamen, vermittelten die Streicher von Concerto Tübingen einen tiefen, differenzierten Eindruck.

Einigkeit im Werkverständnis

Danach übernahm Peter Ammer die Leitung beim Requiem d-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart. Offenbar haben Blaich und seine Kantorei gute Vorarbeit geleistet; alle Mitwirkenden waren sich hörbar einig, nicht nur in den technischen Details, sondern auch in ihrem Verständnis des Werks als intensives seelisches Erlebnis, musikalisch ausgeformt in starken Kontrasten zwischen Zorn, Furcht und Flehen und – in Franz Xaver Süßmayrs Ergänzung ab dem »Lacrimosa« – gläubiger Harmonie. Zu den Streichern des Concerto Tübingen gesellten sich professionelle Bläser aus dem Umkreis von Joachim Jung, darunter zwei Bassetthörner, die den dunkel getönten Orchesterfarben eine eigene Note verliehen.

Auch die vier Vokalsolisten überzeugten durch homogene, durchweg stimmschöne Gestaltung: Susan Eitrich (Sopran), Tina Sauter (Alt, Choristin der Martinskantorei), Lars Tappert (Tenor) und Jan-Henrik Witkowski (Bass).

Sicherer Chor

Die Hauptlast der Aufführung trug der etwa 50-köpfige Chor der Martinskantorei, sicher in der technischen Umsetzung und leidenschaftlich im Ausdruck, vor allem in der Ausgestaltung von Wort und Emotion. Insgesamt belohnte der lang anhaltende Applaus des Publikums eine – angesichts der Umstände – bemerkenswert geschlossene musikalische Leistung. (GEA)