TÜBINGEN. Ein Saal für Tübingen, in dem Platz für Kultur und Begegnung ist. Das ist der große Traum des gleichnamigen Vereins. Um dieses große Ziel zu erreichen, veranstaltete er im Saal 1 in der Tübinger Westspitze ein Konzert, was es so schnell vermutlich kein zweites Mal geben wird. 14 Pianisten aus Tübingen traten ohne Gage auf und präsentierten Klavierwerke unterschiedlicher Stilrichtungen. Der Saal platzte aus allen Nähten am Sonntagabend. Über 700 Anfragen für Karten habe es gegeben, aber nur rund 350 Menschen hatten Platz in dem Saal. Viele Besucher mussten sich mit Klappstühlen in den hinteren Reihen oder Papphockern an den Seiten zufriedengeben. Dass so viele Menschen Interesse an der Musik hatten, zeigte für die Veranstalter, dass Tübingen dringend einen Saal braucht, der die Bedürfnisse der Tübinger Musikszene erfüllt.
Unter dem Titel »Accelerare«, was auf Italienisch »schneller werden« bedeutet, traten 14 Pianisten aus Tübingen auf und präsentierten ein abwechslungsreiches Programm. Die Pianisten steigerten sich im Laufe des Konzerts von Kompositionen für eine Hand bis hin zu zwölfhändigen Werken, bei denen an jedem Flügel drei Pianisten Platz nahmen. Den Auftakt mit John Cages Stück »Dream« machte Andreas Grau. Nur mit einer Hand präsentierte er ruhige Melodien und sanfte Töne und stimmte so meditativ auf das Konzert ein. Gemeinsam mit Johannes Freyer moderierte er das Konzert. Die Pianisten wurden zu den Werken befragt, und die ein oder andere freundschaftliche Frotzelei blieb nicht aus. So wurde Nick Hodges scherzhaft als »Nobelpreisträger der Musik« vorgestellt, der in Wien und der New Yorker Carnegie Hall Konzerte gegeben hat – was jedoch in Tübingen nichts Besonderes sei, da es hier schließlich nur so von Nobelpreisträgern wimmeln würde.
Musikalisches Popcorn
Neben den erfahrenen Pianisten mit langen Karrieren gab es auch junge Talente, die ihre musikalischen Fähigkeiten unter Beweis stellten. Henrik von Wrochem, ein Mathematikstudent in Tübingen, der Klavier an der Hochschule Stuttgart studiert, spielte gemeinsam mit Johannes Freyer »Drei leichte Stücke« von Igor Strawinsky. Diese Werke zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie für drei Hände komponiert wurden, sondern auch durch ihren ironischen Charakter, der den Pianisten eine lockere und humorvolle Ausführung ermöglichte. Wie von Wrochem erklärte, bezeichnete Strawinsky diese Stücke als »musikalisches Popcorn«, was den Geist des Spiels wunderbar widerspiegelte.
Nach der einen Hand ging es weiter mit zwei Händen. Maya Murakami spielte die Fantasie in d-Moll von Mozart, was abrupt endete, denn Mozart starb, bevor er das Werk fertig komponieren konnte. Im Anschluss spielten Martin Trostel und Dizzy Krisch »Sea Journey« von Chick Corea, was einen reizvollen Kontrast bildete. Vierhändig an einem Klavier spielten Sachi Nagaki und Jean-Christophe Schwerteck zwei lebhafte »Ungarische Tänze« von Brahms. Im Anschluss daran improvisierten Patrick Bebelaar und Johannes Fiedler. Die beiden Dozenten an der Hochschule für Kirchenmusik (HKM) Tübingen bewiesen mit Leichtigkeit und Spielfreude ihr Können. Ingo Bredenbach, der als Pfeiler der Tübinger Musikszene vorgestellt wurde, spielte gemeinsam mit Grau und Freyer sechshändig eine Bearbeitung von Bachs »Durch Adams Fall« durch György Kurtág.
Sanftes Finale
Der Arzt und Musiker Ingo Autenrieth, der als »Special Guest« vorgestellt wurde, spielte mit Schwerteck und Nagaki »Valse et Romance« von Sergei Rachmaninow. Sie erfüllten den Raum mit melancholischen und sehnsuchtsvollen Klängen. Nach drei Werken für acht Hände kam das Konzert zu seinem Abschluss, als an zwei Flügeln sechs Pianisten die letzte Nummer des Abends spielten. Das Finale bestritten Grau, der Freiburger Musikstudent Lukas Keck, Fiedler, Murakami, Martin und Hodges mit »Tonight« von Leonard Bernstein und entließen mit sanften Klängen das begeisterte Publikum in die Nacht. (GEA)