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Strukturiertes Getümmel am Klavier: Gesprächskonzert im Reutlinger Spitalhofsaal

Das Duo Jost-Costa und das GrauSchumacher Piano Duo gestalteten in Reutlingen ein Gesprächskonzert, das sich steigernd aufbaute bis zum achthändigen Klavierspiel an einem Instrument.

Götz Schumacher, Andreas Grau, Domingos Costa und Yseult Jost (von links) im Reutlinger Spitalhofsaal.
Götz Schumacher, Andreas Grau, Domingos Costa und Yseult Jost (von links) im Reutlinger Spitalhofsaal. Foto: Dagmar Varady
Götz Schumacher, Andreas Grau, Domingos Costa und Yseult Jost (von links) im Reutlinger Spitalhofsaal.
Foto: Dagmar Varady

REUTLINGEN. Ein Wochenende voller Klaviermusik, voll von perlenden, sprudelnden Klängen und angefüllt mit Leidenschaft zu diesem vielgestaltigen Instrument. Das mag sich manch einer erträumen, der jenes edle Instrument liebt, und eben dies konnte man am vergangenen Wochenende beim Reutlinger Kammermusikzyklus genießen. Gleich zwei Klavierduos ermöglichten dieses Konglomerat aus unterschiedlichen Erlebnissen, Ausdrucks- und Gestaltungsweisen. Am Freitagabend hatte das GrauSchumacher Piano Duo, bestehend aus Andreas Grau und Götz Schumacher, seinen großen Auftritt im Kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle, während am Samstag zwei Sonderkonzerte im Spitalhofsaal diese pianistischen Delikatessen vervollkommneten. Das bestens besuchte Familienkonzert, realisiert vom Duo Jost-Costa (Yseult Jost und Domingos Costa) und von dem Schauspieler Michael Schneider, mündete beinahe unverzüglich in das als Gesprächskonzert angelegte Ereignis mit nun beiden Klavierduos.

»Klavier mal vier«, das sind acht Hände und vierzig Finger, was schon an sich abenteuerlich klingt. Doch bereits vier Körper vor einer einzigen Klaviatur sind ein ungewöhnliches Unterfangen. Doch gemach. Die vier Pianisten gingen alles Schritt für Schritt an, indem sie für ihr musikalisches Bauwerk immer einen Stein mehr aufeinander setzten. Dafür hatten sie einige Kuriositäten ausgewählt, kürzere Stücke, die oftmals als Zugaben fungieren, und ließen in diesem Konzept Hand für Hand wachsen respektive sich zugesellen.

Kein Werk für sieben Hände

Nun denn, immer eine Hand mehr, von eins bis acht, war die Kaprize, und abgesehen von einem sieben-händigen Werk ging dieses originelle Konzept auf. Die Pianistin Yseult Jost eröffnete mit Leopold Godowskys »Elegie für die linke Hand allein«, rund und belebend, wie ein einzelner Körper, der sich wölbt, sich seinen Weg sucht, der sich artikuliert, gewissermaßen sein Herz ausschüttet. Über das Kuriosum von Kompositionen für nur eine Hand wurde der kriegsgeschädigte Pianist Paul Wittgenstein erwähnt sowie die Entlastung der rechten Hand bei zu ausgiebiger Nutzung.

Bei zwei Händen existiert natürlich ein reicher Fundus an Werken. Andreas Grau hat sich für jenen Komponisten entschieden, der sich beinahe ausschließlich auf dieses Instrument beschränkt hat, nämlich Frédéric Chopin. Dank des innigen Préludes in fis-Moll ergoss sich ein intimes und höchst feinfühliges Zwiegespräch zwischen Grau und dem Instrument.

Brillant und kristallen

Drei Hände, dies ermöglichte der ironische Igor Strawinsky mit seinen »Drei leichten Stücken«. Zu dem bereits »aufgewärmten« Grau gesellte sich Götz Schumacher mit nur einer Hand dazu, und die beiden entfalteten den ganzen Schabernack, jede Nuance war messerscharf porträtiert, brillant und kristallen.

Das vierhändige Repertoire ist wiederum geräumig, und Jost und Costa bedienten sich bei Louis Théodore Gouvy, indem sie dessen virtuoses Scherzo höchst brillant, atemberaubend und in kämpferischem Gestus vortrugen, preschend wie bei einem Wettrennen, welches doch niemals zu einem Überholen führte, sondern vielmehr zu einem einmütigen Ankommen am Ziel.

Stück »Wunderlaut«

Der Komponist Steffen Schleiermacher, mit dem Grau und Schumacher im Austausch stehen, lieferte das Stück für fünf Hände, »Wunderlaut«. Hier schichteten die drei Männer Grau, Schumacher und Costa die fragmentarischen, heterogenen Ideen Schleiermachers fein nebeneinander. Bei Sergej Rachmaninows »2 Stücken für Klavier zu 6 Händen« kam die Kombination Jost, Costa und Schumacher zum Tragen. Und getragen wurde wahrhaftig, eine einmütige Erkenntnis, nicht dreimütig, sondern aus einer Anschauung heraus.

Ob das nun mit vier Personen auch gelingt, diese Einmütigkeit? Einen Versuch war's wert, und so drängten sich alle vier bei Albert Lavignacs »Galop Marche« vor die eine Klaviatur. Eng war es, sagen wir lieber kuschelig. Und tatsächlich gewissermaßen auch ein Schauspiel, wenn sich der eine oder andere zurückbeugte, um den Händen der Nebenfrau zu weichen. Fetzig, mit viel Schalk im Nacken, körpernah und doch letztlich trefflich ausgestaltet.

Nun, das Konzept ging auf, kurios, grandios, famos. (GEA)