TÜBINGEN. »Tschüss, Junges LTT« und »Alles muss raus« steht in großen Lettern auf dem aktuellen Monatsspielplan des Kinder- und Jugendtheaters, Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen, wie der vollständige Name der Bühne lautet. Neun Jahre lang hat Michael Miensopust als Leiter diesen Bereich geprägt und zusammen mit 13 fest engagierten Schauspielern (auf fünf Positionen) 63 Stücke herausgebracht.
Bis zum großen Abschiedsfest am 21. Juli wird in Tübingen alles, was noch im Repertoire ist, ein letztes Mal gespielt, denn Abschied nehmen neben Miensopust auch fast alle Darsteller. Eine »turbulente Abschiedsreise mit Szenen und Liedern der letzten neun Jahre« soll »Alles muss raus« werden. Der Eintritt ist an diesem 21. Juli um 19 Uhr frei.
Der weiteste Abstecher führte die Theatermacher in dieser Zeit nach Südkorea, der kürzeste in die nur knapp 500 Meter vom Theater entfernte Tübinger Hügelschule. Insgesamt hat das Junge LTT während dieser neun Jahren fast 300 000 Zuschauer erreicht. Nahezu ein Zehntel von ihnen sahen »Tschick« nach dem Jugendroman von Wolfgang Herrndorf.
Michael Miensopust hatte sich nach seinem selbst gewählten Abschied vorgenommen, zunächst einmal gar nichts zu machen. »Jetzt bin ich schon wieder bis Dezember ausgebucht«, sagt der gebürtige Kieler und lacht. Mit seiner Frau, der Figurenspielerin und Tänzerin Anne-Kathrin Klatt, arbeitet er an einem Erwachsenenstück über Mode, Krieg und Macht, in dem sich Schauspiel, Figurenspiel und Choreografie mischen sollen. Herauskommen soll es am Stuttgarter Zentrum für Figurentheater Fitz in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Stuttgart. Klatt und Miensopust haben bereits in der Vergangenheit immer wieder zusammengearbeitet, etwa bei Projekten in Dagestan oder Angola. Für die Zukunft planen sie ein weiteres Theaterprojekt in Myanmar.
Dreimal, erzählt Miensopust, sei er damals gefragt worden, ob er das machen wolle, Leiter des Kinder- und Jugendtheaters am LTT. »Ich hab’ mir das selber nicht zugetraut«, sagt er rückblickend. Er habe nicht gewusst, ob das passt. Dann aber sagte er sich, dass er das ja nur wissen kann, wenn er es ausprobiert.
Dass Simone Sterr, die damalige LTT-Intendantin, ihm jede Freiheit ließ, sei ermutigend gewesen. Miensopust, der zuvor frei und als Hausregisseur gearbeitet hatte, legte Wert auf eine flache Hierarchie. Er verteilte die Aufgaben neu. Der Theaterpädagoge etwa bekam mehr Verantwortung, auch holte er sich als Leiter mit Susanne Schmitt, die gerade von Claus Peymanns Berliner Ensemble kam, eine »tolle Mitarbeiterin« ans Haus.
Kondschak zu Gast
»Im Bereich Jugendstücke haben wir alles Mögliche ausprobiert. Von ziemlich direktem Theater, musikalischem Konzerttheater, moderner Romanadaption bis zu klassischen Stoffen für Jugendliche. Da haben wir schöne Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel die Affinität der Jugendlichen zur Sprache.« Wenn man ankomme mit dem Anspruch, »die sollen was verstehen«, funktioniere das nicht. »Für mich sollen die Zuschauer was erleben. Und ich glaube, das ist uns manchmal richtig gut gelungen«, sagt der Regisseur und Schauspieler (Jahrgang 1962). Von Liebe zu erzählen, das gelinge auch heute noch mit Shakespeare.
»In unserem Bereich gibt’s ja viele Pädagogen, Eltern und Moralisten, die sagen, was für Kinder gut ist und was nicht. Wir haben versucht, uns davon abzusetzen, uns nicht anzubiedern, zu gucken, was wirklich passiert, wenn Kinder im Theater sind. Welchen Humor haben sie, welche Geschichten nehmen sie mit?«
Gut – auch bei den Erwachsenen – kam beispielsweise das von Miensopust geschriebene Stück »Ganz großes Kino« an, in dem ein schüchterner Junge zum Helden in seinem eigenen Film wird – an der Seite von Charlie Chaplin, Marilyn Monroe und Clint Eastwood.
Am 15. Juli (11 Uhr) spielt Miensopust noch einmal seinen »Märchenkrimi« – mit den Musikern Heiner Kondschak, Christian Dähn und Andreas Murnau als Gästen. Ideen für die Zukunft hat er genug. Filmprojekte stehen an, und er will, wenn es klappt, einen Krimi in acht Teilen für Lesungen auf dem Schiff entwickeln. Die Geschichte soll jeden Abend weitergehen und mit den angefahrenen Inseln zu tun haben. Dem Theatermacher schwebt außerdem eine multimedial aufgezogene »Faust«-Disco vor. »Die Idee ist, dass die Leute in die Disco gehen und am Ende den ›Faust‹ kennen.« Und: »Es gibt tatsächlich klassische Stoffe, die noch nicht verfilmt wurden. Ich habe da ein paar Drehbuchideen in der Schublade.« (GEA)