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Reutlinger Drummer Sven Fischer legt neue Platte »Tiefseerock« vor

Der Reutlinger Sven Fischer legt die Drumsticks weg und schlüpft in die Rolle des Rocksängers: Sein Album »Tiefseerock« stellt er am 19. Juli im Pappelgarten vor. Es birgt noch eine weitere Überraschung.

Sven Fischer mit Rabenflügeln im Video zum Song »Lebensflügel«.
Sven Fischer mit Rabenflügeln im Video zum Song »Lebensflügel«. Foto: Nadine Budja
Sven Fischer mit Rabenflügeln im Video zum Song »Lebensflügel«.
Foto: Nadine Budja

REUTLINGEN. Das mit den Rabenflügeln war ein Abenteuer. Sie blieben im Zoll hängen. Muss man überdimensionale Vogelschwingen aus Kunstfasern verzollen? Fallen sie womöglich unters Artenschutzgesetz? Fischer konnte die in England bestellten Requisiten beim Zollamt in Metzingen loseisen. Jetzt haben sie im Video zum Song »Schutzengel« ihren großen Auftritt. Sven Fischer sieht man da, opulent gefiedert. Ein surrealer Anblick, untermalt von kraftvollen Rock-Klängen. Letztere sind Teil von Fischers neuem Album »Tiefseerock«, das am 19. Juli erscheint - samt Releasekonzert im Pappelgarten.

Erster Anlauf mit »Fischer Project«

Für theatralische Rockmomente hatte Sven Fischer schon immer eine Ader. 2019 kreierte er unter dem Namen Fischer Project einen Abend am franz.K als atmosphärisches Rock-Gesamtkunstwerk. Lichteffekte, animierte Videos von Florian Failenschmid, dazu ein Musikreigen eigener Songs von Rock bis Rap.

Damals, im Oktober 2019, sollte es ein Startschuss sein. Kurz darauf ging wegen Corona gar nichts mehr. Zudem zerfiel die Band. Und das Projekt hatte eine Schwachstelle: Es fehlte ein fester Frontsänger. Sven Fischer ist Drummer, im Hauptberuf leitet er die Schlagzeugabteilung des Musikgeschäfts Music Land in Albstadt. Für das Event im franz.K zog er als Sänger fast ein Dutzend Kollegen heran, von Baseballs-Mitglied Sven Budja bis hin zu Melisa Polat von Hustle 'n' Bustle und Fabian Häckel von der aufgelösten Metal-Combo Mason Finley. Das war für diesen Abend super - für die Zukunft brauchte es ein wiedererkennbares Gesicht.

Konzertinfo

Fischer & Band stellen das Album "Tiefseerock" am Freitag, 19. Juli, um 19 Uhr im Reutlinger Pappelgarten vor. Zeitgleich erscheint das Album als Vinylausgabe und digital. (GEA)
www.fischer-band.de

Also: Neustart, nun unter dem Namen Fischer & Band. Nur wollte sich partout kein Sänger finden. Worauf Fischer selbst zum Mikro griff. Hatte er auf den Demos seiner Songs doch auch schon die Vocals gesungen. So wurde aus dem Drummer Fischer der Sänger Fischer. Um sich nicht die Stimme zu ruinieren, nimmt er seither Gesangsstunden bei Daniel Iberra. »Ich bin schnell warm geworden damit«, versichert er. Cool sei die Entdeckung gewesen, dass man als Sänger kein Schlagzeug schleppen muss. »Dafür muss ich jetzt auf meine Stimme aufpassen.« Als Schlagzeuger spielte es ja keine Rolle, wenn er mal erkältet war.

Vom Drummer zum Sänger: Sven Fischer mit Rabenflügeln als Frontmann seiner Band.
Vom Drummer zum Sänger: Sven Fischer mit Rabenflügeln als Frontmann seiner Band. Foto: Nadine Budja
Vom Drummer zum Sänger: Sven Fischer mit Rabenflügeln als Frontmann seiner Band.
Foto: Nadine Budja

Auch sonst änderte sich einiges. So die Zusammensetzung der Band. Die besteht aktuell neben Fischer aus Malu Eitel am Bass, Lukas Schumacher an der Gitarre und Uli Göhring am Schlagzeug. Einen Synthesizer-Spezialisten hätte man auch gern an Bord, es fand sich noch keiner. Weshalb die elektronischen Teile vorproduziert und bei Liveauftritten zugespielt werden.

Deutsche Texte

Noch etwas hat sich geändert: Die Texte sind jetzt auf Deutsch. Beim »Fischer Project« 2019 im franz.K und dem dazugehörigen Album »Lost in the Universe« waren die Songs noch englisch gewesen. Schon damals hatte Fischer mit den Wirrungen der englischen Grammatik gehadert. Auf Deutsch könne er intuitiver texten, betont er.

Das Album »Tiefseerock« gibt es als Vinylscheibe und digital. Zu sechs Songs sind Videos entstanden. Für »Aufstieg« ist man auf den Georgenberg gepilgert. »Für immer« über den Tod eines nahen Freundes spielt am Kirchentellinsfurter Baggersee. »Dafür habe ich extra ein Boot gekauft, weil alle, die ich hätte leihen können, mir nicht gefallen haben«, erzählt Fischer. Das Boot wurde aus Hannover geliefert - zumindest musste es nicht durch den Zoll. Im Video zieht Fischer es im Ostfriesennerz über eine weite, leere Wiese - surreal-eindringliches Bild der Einsamkeit.

Weitere Videos entstanden an der Bronnweiler Friedenslinde (»Inneres Kind«), in der Metzinger Motorworld (»Mein Weg«), im Probenraum in der ehemaligen Gustav-Wagner-Fabrik in Reutlingen (»Bunte Blumen«) und in der Reutlinger Katharinenkirche (»Schutzengel«). In Letzterem breitet eine Eule im sakralen Gemäuer die Schwingen aus - deren Hüter hatte Fischer bei einer Raubvogel-Flugshow kennengelernt. »Eigentlich hätte ich gerne einen Adler gehabt, aber für den war die Kirche zu klein.« Der Song »Schutzengel« war ursprünglich für eine Spendenaktion der Band für die Obdachlosen-Initiative Trott-war entstanden.

Auch in seinen deutschen Songs zielt Fischer auf die großen Emotionen. »Das Visuelle ist mir wichtig«, betont er. Thematisch geht es oft ums Ganze. »Grab meiner Liebe« richtet den Fokus auf die Umweltzerstörung (»Planet in Flammen«). »Dein Weg« fordert auf, sich nicht Dinge aufdrängen zu lassen, die einem nicht entsprechen. »Schule, ich hasse dich« nimmt kritisch das Schulsystem aufs Korn. »Mit einem Augenzwinkern«, wie Fischer betont. Seine eigene Schulzeit an der Reutlinger Hermann-Hesse-Realschule hat er nicht übermäßig negativ in Erinnerung - auch wenn ihn letztlich fast nur der Musikunterricht interessiert hat.

Musik von zart bis rockig

Die Musik kommt mal als straighter Rock daher wie in »Lebensflügel« über die Sehnsucht nach Freiheit und Ungebundenheit, mal ist sie zart und introvertiert wie in »Für immer«. Dann brettern wieder Metal-Elemente hinein, wie in dem energiegeladenen »Neue Welt«. Auch dort, wo es gefühlvoll beginnt, wie in »Für immer«, brechen oft später die Rockgitarren hervor. Hier und da wird es punkig rau.

Die Texte mag Fischer tiefgründig - weshalb er sein Genre als »Tiefseerock« bezeichnet. »Deutschrock ist oft Suffmucke«, hat er beobachtet. Bei ihm geht es um Elementares - gefasst in direkte, erdige Vocals. »Ich singe so, wie ich spreche«, betont der Musiker. »Zu verkünstelte Lyrik brauche ich nicht.«

Ideensammlung auf dem Smartphone

Aufgenommen hat die Band die Platte teils im Studio Sound Light Graphics von Lukas Günter in Nagold, teils bei Christoph Dieterle in Rottweil, teils im eigenen Probenraum unter der Regie von Gitarrist Lukas Schumacher. Dass sich das so verteilt, hängt mit Zeitproblemen zusammen. Das Sound Light Graphics Studio sei zeitweise ausgelastet gewesen. »Wenn ich ein Demo fertig habe, will ich es gleich aufnehmen, damit ich das weg habe«, erklärt Fischer seine Arbeitsweise.

Die vier Mitglieder der Band in der Katharinenkirche, vorne rechts Sven Fischer.
Die vier Mitglieder der Band in der Katharinenkirche, vorne rechts Sven Fischer. Foto: Nadine Budja
Die vier Mitglieder der Band in der Katharinenkirche, vorne rechts Sven Fischer.
Foto: Nadine Budja

Die Demos nimmt er auf seinem Smartphone auf und bearbeitet sie auch dort. Mit Rücksicht auf seine damals noch kleinen Söhne - inzwischen drei und sieben Jahre alt - habe er eine Studio-App darauf installiert. »Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, mit dem Handy Musik zu bearbeiten. Egal, wo ich gerade bin, kann ich an Demos herumbasteln.«

Weitere Auftritte geplant

Das neue Projekt soll dauerhafter sein als das letzte. Nach dem Releasekonzert am 19. Juli im Pappelgarten sind mehrere Auftritte geplant: am 26. Juli beim »Umsonst und draußen« in Mössingen, am 25. Oktober im Balinger Sonnenkeller und am 2. November in der Reutlinger Kaiserhalle. Weitere Konzerte sollen folgen. (GEA)