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Aktuell Ausstellung

Prinzip der Montage: Werke aus der Sammlung im Reutlinger Spendhaus

Das Kunstmuseum Reutlingen gibt im Spendhaus auf einer Etage Einblick in seine Bestände. Sammlungsleiter Rainer Lawicki bringt dafür Arbeiten in einen Dialog, die das Prinzip der Montage verwenden. Grieshaber ist auch dabei, doch hier nicht als Holzschneider.

Der neue Museumsleiter Stephan Rößler (links) mit seinem Stellvertreter Rainer Lawicki, der die Ausstellung kuratiert hat, vor P
Der neue Museumsleiter Stephan Rößler (links) mit seinem Stellvertreter Rainer Lawicki, der die Ausstellung kuratiert hat, vor Polymerdrucken von Daniel Richter. Foto: Armin Knauer
Der neue Museumsleiter Stephan Rößler (links) mit seinem Stellvertreter Rainer Lawicki, der die Ausstellung kuratiert hat, vor Polymerdrucken von Daniel Richter.
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Die Szenen sind verstörend, auf die man im dritten Obergeschoss des Spendhauses stößt. Eine junge Geigerin tänzelt über einen Tisch - doch auf und unter dem Tisch reihen sich Folterwerkzeuge. Ein Vögelchen zwitschert fröhlich - doch sitzt es auf einem Rad, auf dem Delinquenten zu Tode gemartert werden. Polymerdrucke von Daniel Richter sind es, die mit solchen Gegensätzen provozieren. Kupferstiche der Renaissancezeit, die damals übliche Folter- und Hinrichtungsmethoden illustrieren, kombiniert Richter mit betont harmlosen Sujets.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Skulptur und Druckgrafik« in der Reihe »Aus der Sammlung« ist im dritten Obergeschoss des Spendhauses bis 17. November zu sehen, Mittwoch, Samstag, Sonntag und Feiertage 11 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag 14 bis 20 Uhr. (GEA)
www.kunstmuseum-reutlingen.de

Mit solchen Darstellungen ist Richter zum Star der Kunstszene aufgestiegen. Gleichzeitig sind Arbeiten von ihm Teil der Sammlung des Kunstmuseums Reutlingen. Die ist so voller großer Namen, dass der neue Museumsleiter Stephan Rößler, der im Mai für Ina Dinter kam, ins Schwärmen gerät. Man sei stolz darauf, wolle zeigen, was man habe - aber auch, dass mit diesem Bestand jeden Tag gearbeitet wird: »Die Sammlung muss transparenter werden!«

Also hat man eine neue Ausstellungsreihe ins Leben gerufen namens »Aus der Sammlung«, mit der man das dritte Obergeschoss bespielt. Und an die frühere Reihe »Aspekte der Sammlung« anknüpft, die unter Ina Dinter aufgegeben wurde. Nun startet die zweite Schau der Reihe, wieder von Rainer Lawicki als Sammlungsleiter kuratiert. Er hat von der ersten Schau, die sich um Holz- und Papierarbeiten drehte, Holzplatten von Olaf Metzel und Ulrich Görlich belassen - und bringt sie in einen Dialog mit Grafiken von Daniel Richter und HAP Grieshaber. Gemeinsam ist ihnen das Prinzip der Montage: Zitate aus anderen Zusammenhängen werden verfremdet und mit Neuem kombiniert.

Zerfräste Fotografien

Bei Metzel/Görlich liefern Fotografien von Ulrich Görlich den Ausgangspunkt, auf Holzplatten aufgebracht: eine Sitzbank, ein Wald, ein Altar mit Figuren. In diese Motive hinein fährt Metzel mit der Fräse. Macht aus dem Wald ein Frässpurendickicht, verziert die Sitzbank mit Ornamenten, radiert die Figuren des Hochaltars aus. Teils verbinden sich Metzels Fräsungen mit dem Motiv der fotografischen Vorlage, teils machen sie aus der Holzplatte ein abstraktes Relief. Beide Zustände existieren gleichzeitig, obwohl sie sich auszuschließen scheinen - ähnlich wie die lieblichen und brutalen Elemente in Richters Drucken.

Von Metzels Holzplatten gleitet man zum großen Reutlinger Holzschneider HAP Grieshaber. Der hier jedoch mit Siebdrucken präsent ist. Ausgangspunkt ist Grieshabers »Männerwald«: eine Serie von Holzdruckstöcken männlicher Figuren, für die Schlussschau im deutschen Pavillon der Weltausstellung 1967 in Montreal gefertigt. Motive daraus hat Grieshaber bei der Mössinger Pausa per Siebdruck auf Leinenstoff drucken lassen, in metallischen Farben. Einer Pan-Figur gesellt er eine antike Göttin bei - auch hier wieder das Prinzip der Montage! Das man auch gegenüber im farbenprächtigen »Prometheus«-Zyklus findet. Weil Grieshaber diese Siebdrucke in verschiedenen Farbvarianten auf Leinen drucken ließ.

Hügel aus Grieshaber-Motiven

Die Klammer zwischen Grieshaber und den Holzplatten Metzels bietet Rolf Wicker. Der war 2005 Grieshaber-Stipendiat - und nutzte seinen Aufenthalt, um die Kunstvereins-Galerie im Untergeschoss der Wandel-Hallen in eine riesige Hügellandschaft aus Pressholzplatten zu verwandeln. Eine Landschaft, die sich aus der Vogelperspektive als Zitat aus Grieshabers »Männerwald« entpuppt. Was sich an einem von Wicker gefertigten Modell nachvollziehen lässt. Grieshaber an allen Ecken. Am Kunstmuseum wird man »den Alten von der Achalm« weiter pflegen, daran lässt der neue Chef Stephan Rößler keinen Zweifel. (GEA)