PFULLINGEN. Ein Akkuschrauber hängt an einem Faden von der Decke herab. Dort, wo sonst der Bit zum Schrauben oder Bohren befestigt wäre, sind vier Stifte an einem Holzblock montiert, die nach unten auf das Papier zeigen. Eine Performance der besonderen Art zog in dieser Woche zahlreiche Gäste zur Vernissage von Jürgen Klugmanns Ausstellung »Kreislauf und Ladung« mit Werken aus der Reihe »Advanced Impact« in das Foyer der Akademie der Reutlinger Kreisklinken. Für seine Kunst-Show mit dem Musiker Rüdiger Tschacher brachte Klugmann merkwürdige selbstgebaute Apparaturen, mit denen er sonst seine Werke auf Leinwand kreiert, mit in die Ausstellung. Denn um die Kunst Klugmanns verstehen zu können, muss man deren Entstehungsweise einmal live miterlebt haben.
Wenn der Künstler einen Kabelbinder festzurrt, um den Akkuschrauber dauerhaft auf »Ein« zu schalten, drehen sich die am Schrauber befestigten Stifte scheinbar unkontrolliert hin und her. Ganz langsam bewegt Klugmann dann die Apparatur auf dem Papier in kreisförmigen Bewegungen. Mal setzt der Künstler den Bohrer ab, um an einer anderen Stelle wieder anzusetzen, mal verweilt er und lässt die Stifte kreisen. Von Weitem im grellen Licht des Foyers lässt sich dabei das Ergebnis nur schwer erahnen.
Auge fürs Detail
Unter dem Papier schimmert Kupferfolie hervor, die über Kabel mit dem Computer von Rüdiger Tschacher verbunden ist. Kratz- und Klopfgeräusche, die die herumwirbelnden Stifte auf dem Papier verursachen, werden mit den Kabeln offensichtlich an den Computer übertragen. Zwei Lautsprecher beginnen während der Show, erst ganz leise, Melodien zu spielen, die Tschacher mit aus den Klängen der Stifte gesampelten Beats untermalt. So wird Klugmanns Schaffen allmählich nicht nur sicht-, sondern auch immer hörbarer.
Eindrucksvoll räumlich wirken die Werke aus Klugmanns Reihe »Advanced Impact«, die bis zum 30. September im Foyer der Akademie der Reutlinger Kreiskliniken ausgestellt sind. Klugmanns Arbeit fällt hier prominent platziert sofort ins Auge. Mehrere riesige Gemälde strahlen unglaublich viel Energie in den Raum - nicht zuletzt durch ihre Gestaltung. Hauchdünne Linien ergeben in Klugmanns Werken halbtransparente Kreise. Weil die Formen mithilfe mechanischer Konstruktionen wie dem Akkuschrauber am Faden entstanden sind, spiegeln sie die hohe Dynamik aus dem Entstehungsprozess wider, die der Künstler auf Papier überträgt.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Kreislauf und Ladung« zu Jürgen Klugmanns Reihe »Advanced Impact« ist im Foyer der Akademie der Reutlinger Kreiskliniken in der Daimlerstraße 23 in Pfullingen noch bis zum 30. September zu sehen. Geöffnet ist die Akademie für Gäste der Ausstellung von Montag bis Freitag immer von 9.30 Uhr bis 19 Uhr. (GEA)
Das Ergebnis: kreisrunde Formen, die plastisch wirken, als ob sie ins Papier hineinragen würden. Viele Werke mit je einem riesigen Kreis in der Mitte ähneln einer Pupille - umso beeindruckender, dass sie auf ähnlich experimentelle Weise wie das Beispiel aus der Vernissage entstanden sind. (GEA)