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Aktuell Dokumentarfilm

Marcus Vetter und Michele Gentile porträtieren den Internationalen Strafgerichtshof

Marcus Vetter und Michele Gentile beleuchten in einer Doku die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Im Tübinger Kino Museum diskutierten mit ihnen Ex-Chefankläger Luis Moreno Ocampo und die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin über die Möglichkeiten und Beschränkungen des Gerichts.

Der Argentinier Luis Moreno Ocampo, der von 2003 bis 2012 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag war, im
Der Argentinier Luis Moreno Ocampo, der von 2003 bis 2012 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag war, im Tübinger Kino Museum. Foto: Christoph B. Ströhle
Der Argentinier Luis Moreno Ocampo, der von 2003 bis 2012 Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag war, im Tübinger Kino Museum.
Foto: Christoph B. Ströhle

TÜBINGEN. Das internationale Recht sei kein Menü, aus dem man auswählen könne, was einem passt, sagt Karim Ahmad Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Regeln müssten für alle gelten. Die Bedeutung einer Institution, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen zu ahnden, könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Das sieht auch Luis Moreno Ocampo so, der wie Khan im Dokumentarfilm »War and Justice« über die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu Wort kommt. Der Argentinier Ocampo ist nach Tübingen ins ausverkaufte Kino Museum gekommen, um für das Ziel zu werben, dass das Gericht, dessen erster Chefankläger er von 2003 bis 2012 war, auf breiterer Front als bisher ermächtigt wird, seiner Arbeit nachzugehen. Denn bei Weitem nicht alle Staaten der Welt sind bislang dem Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof beigetreten. Einige haben den Vertrag zwar unterzeichnet, ihn aber nicht ratifiziert, andere die Absicht bekundet, wieder aus dem Vertrag auszuscheiden.

Deutschlandweit übertragen

Mit Ocampo diskutieren an diesem Abend um Moderator Marc Friedrich - und das wird deutschlandweit in ausgewählte Kinos übertragen - die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die beiden Filmemacher - der Tübinger Marcus Vetter und der Reutlinger Michele Gentile, denen mit »War and Justice« eine nüchterne, dabei aber ebenso eindrucksvolle wie erschütternde Dokumentation gelungen ist. Ein Film, in dem die Protagonisten Krieg als zu ächtendes Übel und Ursache für größtes Leid in der Welt benennen. Ziel müsse es sein, allen Angriffskriegen ein Ende zu setzen. Denn Kriege zögen Rache nach sich, Gerechtigkeit eher nicht. Ocampo glaubt, dass es möglich ist, dass die Justiz den Krieg als Mittel zur Konfliktlösung ersetzt. Dazu aber brauche es die weltweite Unterstützung der Menschen.

Ben Ferencz, dem der Film gewidmet ist, legt in der Dokumentation offen, mit welchen Mitteln es Aggressoren, die an der Spitze von Staaten stehen, immer wieder gelingt, weite Teile der Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen: indem sie behaupten, man komme in nationaler Selbstverteidigungsabsicht der Aggression eines anderen zuvor; und indem sie Pazifisten, die sich gegen diese Argumentation stemmen, für unpatriotisch erklären. Ferencz, der im April 2023 im Alter von 103 Jahren gestoben ist, war nach dem Zweiten Weltkrieg Ankläger bei den Nürnberger Prozessen. Sein Leben lang kämpfte er dafür, Krieg durch Gerechtigkeit zu ersetzen. Um Kriegsverbrechen zu verhindern, müsse man die Weltgemeinschaft vor Kriegen schützen, argumentiert er im Film, sei doch »das größte Verbrechen der Krieg selbst«. Aggressionskriege müssten als Kriegsverbrechen an sich betrachtet werden.

Ausweg aus dem Teufelskreis

»Ohne Träumer können wir die böse Realität nicht überwinden. Was wir mit dem Internationalen Strafgerichtshof tun, ist die Fortsetzung dessen, was vor 65 Jahren in Nürnberg begonnen wurde«, bleibt als Botschaft von Ferencz im Gedächtnis. Die Dokumentation deutet einen Ausweg aus dem Teufelskreis der Gewalt an, den ein Internationaler Strafgerichtshof bieten könnte, wenn er von allen Staaten der Welt anerkannt würde und jeder Staatschef, der Kriegsverbrechen zulässt oder einen Angriffskrieg führt, zur Verantwortung gezogen würde. Sie hoffe, dass der Film in dieser Hinsicht etwas bewegen könne, sagt Herta Däubler-Gmelin. Marcus Vetter betont, dass es auch wichtig sei, die Doppelmoral aufzuzeigen und »daran zu erinnern, dass Kriege, auch von den USA, nicht nur zu Verteidigungszwecken geführt wurden«.

Gezeigt wird im Film, wie der erste international legitimierte Strafgerichtshof gegen Kriegsverbrecher ermittelt. Darunter sind Fälle wie die Niederschlagung des Arabischen Frühlings in Libyen, mögliche Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg und die Rekrutierung von Kindersoldaten im Kongo. Man sieht auch, wie die Schauspielerin und damalige Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingshilfswerks Angelina Jolie sowie Ben Ferencz für den ersten Prozess gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo nach Den Haag kommen, um die Sache des Strafgerichtshofs zu unterstützen. (GEA)