Logo
Aktuell Ausstellung

Kunst als lebendiger Organismus: Sommerschau in der Fondation Beyeler bei Basel

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel macht in ihrer »Sommerausstellung« ihre Räume und den umgebenden Park zum Experimentierfeld. Mit erstaunlichen Ergebnissen.

Keine Gärtnerei, sondern Kunst: Blick in die Installation »The sun eats her children« von Precious Okoyomon.
Keine Gärtnerei, sondern Kunst: Blick in die Installation »The sun eats her children« von Precious Okoyomon. Foto: STEFAN BOHRER
Keine Gärtnerei, sondern Kunst: Blick in die Installation »The sun eats her children« von Precious Okoyomon.
Foto: STEFAN BOHRER

BASEL. »Sommerausstellung« - kann der Titel einer Kunstschau harmloser klingen, unambitionierter als die Überschrift zur neuen Präsentation der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel? Doch Vorsicht, diese Ausstellung hat es in sich! Innovativ beschreitet sie neue Wege, ist beweglich, dynamisch, in fortwährendem Wandel begriffen.

Ausstellungsinfo

Die »Sommerausstellung« in der Fondation Bayeler, Baselstraße 77, Riehen, ist bis 11. August täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen, Mittwoch bis 20 Uhr. (GEA)
www.fondationbeyeler.ch

»Erstmals«, lesen wir in einem Begleittext, »werden das Museum und der umliegende Park zum Schauplatz einer experimentellen Ausstellung zeitgenössischer Kunst«. Nicht weniger als sieben Kuratoren, darunter Sam Keller, der Leiter der Fondation, der bekannte Schweizer Kurator Hans Ulrich Obrist und mehrere namhafte Künstler haben sich zusammengetan. Ihr Ziel: Künstlerische Freiheit, interdisziplinären Austausch und kollektive Verantwortung zu fördern. Besucher, die verschiedenen Tagen die Schau besuchen (»Wiedereintrittstickets« regen dazu an), sehen unterschiedliche Präsentationen und machen unterschiedliche Erfahrungen.

Musiker und Philosophen beteiligt

Mitbeteiligt an der Schau sind auch Dichter, Architekten, Musiker, Komponisten, Philosophen und Wissenschaftler. Von wegen also unambitioniert! Die teilnehmenden Künstler wurden eng in konzeptionelle Prozesse eingebunden.

Das gesamte Areal der Fondation wird mit Kunst bespielt - bis in den letzten Winkel. Schon auf dem Weg zum Eingang sticht der riesige Turm des Franzosen Philippe Parreno ins Auge. Darin haust ein namenloses Wesen ohne physische Existenz: Der Turm ist allenthalben mit Sensoren bestückt, wodurch eine (nichtvisuelle) Wahrnehmung der Umgebung entsteht.

Im Park stößt man auf den mit Sensoren bestückten Turm von Philippe Parreno.
Im Park stößt man auf den mit Sensoren bestückten Turm von Philippe Parreno. Foto: Mark Niedermann
Im Park stößt man auf den mit Sensoren bestückten Turm von Philippe Parreno.
Foto: Mark Niedermann

Etwas abseits davon wurde ein Gewächshaus errichtet. Die Vermutung, dass es sich dabei um Kunst handelt, ist goldrichtig. Precious Okoyomon hat ein vergiftetes Paradies geschaffen, mit toxischen Pflanzen, fantastischen Schmetterlingen und einem animatronischen Bären. In unmittelbarer Nähe entstehen in periodischen Abständen wie aus dem Nichts Nebel - ein zeitgebundenes, vergängliches Werk der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya.

Wohin man blickt: Kunst, auch an den unwahrscheinlichsten Orten. So hat Dozie Kanu den Schließfachbereich in ein Kuriositätenkabinett verwandelt, mit in die Wand eingelassenen und mit Kunstwerken bestückten Fächern. In einer Reihe von Sälen, die mit nicht weniger als 131 Werken aus der Sammlung der Fondation bespielt werden, findet - gar nicht heimlich, still und leise, vielmehr demonstrativ offen – permanenter Wechsel statt, und das während der Besuchszeiten! Denn die Ausstellung, so ist zu lesen, versteht sich als »lebendiger Organismus, der sich verändert und transformiert«.

Ungewöhnliche Hängung

Höchst ungewöhnlich ist auch die Art der Hängung. An zwei halb gegenständliche Werke Mondrians schließt sich fugenlos Kandinskys Abstraktion »Fugue« an. Dicht auf dicht folgen abstrakte Werke Mondrians, Josef Albers’ »Homage to the Square: Greek Island« von 1957 und schließlich - Überraschung! - Fotokunst von Roni Horn mit einer ausgestopften Eule als Motiv.

In gleicher Weise reihen sich an anderer Stelle Landschaften van Goghs und Ferdinand Hodlers aneinander. Oder es rahmen zwei abstrakte Drucke Wade Guytons den Siebdruck »Oceania, the Sea« von Henri Matisse ein. Wer Glück hat, bekommt Werke wie Marlene Dumas’ Gemälde »The Swan« oder »Amy – Pink« zu sehen. Oder Gerhard Richters Gemälde »Cloud« und Joan Mirós »Landscape with Rooster«.

Die Ausstellung mischt Werke verschiedener Künstler.
Die Ausstellung mischt Werke verschiedener Künstler. Foto: STEFAN BOHRER
Die Ausstellung mischt Werke verschiedener Künstler.
Foto: STEFAN BOHRER

Die Auswahl der Sammlungswerke hat Tino Sehgal getroffen, von dem auch das Display ihrer Präsentation stammt. Der deutsche Performancekünstler ist in einem Saal selbst mit einem Werk zu sehen - und zu hören: Während der gesamten Besuchszeit vollführen junge Performer tänzerische Bewegungen und summen dazu Melodien aus Kompositionen Beethovens.

In einem anderen Saal lässt Carsten Höller Pillen regnen: alle drei Sekunden eine, der Besucher kann an sich selbst ausprobieren, ob die Placebos wirken. Es gibt auch einen 3-D-Film - oder eine raumgreifende Bücherei in einer zeltartigen Architektur. Oder Werke, bei denen KI zum Einsatz kam – und Cildo Meireles' Soundskulptur »Alto«. Für von so viel Kunst erschöpfte Besucher stehen in jedem Saal Stühle bereit. Auch sie sind Kunst, praktisch nutzbar, kreiert und designed von Dozie Kanu. (GEA)