STUTTGART. Tristan Brusch hat Erinnerungen an Tübingen. Dort wuchs er auf, heute lebt er in Berlin. Er singt von wilden Festen in der Platanenallee; am zweiten Weihnachtsfeiertag ist er auf der Bühne der Stuttgarter Oper, mit Rapper Maeckes.
Maeckes und Tristan Brusch
Maeckes heißt bürgerlich Markus Winter, stammt aus Kornwestheim; seine Kollegen bei der Band Orsons sind Bartek, Tua und Kaas. Sie haben an Weihnachten Besseres zu tun, nur Maeckes muss arbeiten. Dafür haben er und Brusch sich die Bühne gemütlich eingerichtet: Ein Weihnachtsbäumchen steht dort, ein Weihnachtsmann aus Kunststoff, ein Pferdchen, ein falscher Hund, ein Flügel, ein Sofa. Auf ihm lassen sie sich nieder, Gitarren in den Händen, und tun so, als wären sie Liedermacher aus lang vergangner Zeit, bei einer Hausmusik voller Gefühl und Sarkasmus.
Freundschaft durch »Little Funny Man«
Maeckes und Tristan traten oft gemeinsam auf; am Donnerstagnachmittag geben sie das erste von zwei »Homecoming Concerts« in der Oper, in einer Pop-Reihe, die sich dort seit einigen Jahren etabliert hat. »Little Funny Man«, ein Lied, von dem Brusch erzählt, er habe es noch auf der Bettkante seines Kinderzimmers geschrieben, brachte die beiden Musiker zusammen: Die Orsons sampelten sein Gitarrenspiel im Jahr 2012. Brusch ist hier der fabelhafte Instrumentalist, hat eine volle, schöne Stimme, wechselt manchmal zum Klavier oder auf die E-Gitarre, singt die empfindsameren Lieder. Sie erzählen von der Chemotherapie oder vom Baggersee. Maeckes hat mehr Hiphop in sich, türmt die Silben spöttisch, schnell.
Tristan wäre gern Tier
Gleich ihr zweites Stück beschwört das kaputte Idyll: »Ein paar Penner als kostümierte Weihnachtsmänner« treten auf in Maeckes' Sprechgesang, »Pfandflaschensäcke auf dem Rücken«. Brusch singt den illusionslos einschmeichelnden Refrain: »No one starts loving you because you change.« Maeckes singt von seinem Vater, der kein rollender Stein war, sondern Getränkelieferant oder das Monster von Loch Ness. Und Tristan Brusch singt verträumt: »Ich wünschte mir, ich wär ein Tier.« Um dann leise summend in ein anderes Lied zu gleiten: »Simply having a wonderful Christmas Time.« Die Sprachbilder hängen unverbunden in der Luft, die Interpreten lächeln hintersinnig.
Yung Kafa und Kücük Efendi
Ganz anders Yung Kafa und Kücük Efendi. Sie bestreiten den Abend in der Oper. Sie spielen Hiphop für ein ganz anderes Publikum als die Orsons. Ihre bürgerlichen Namen sind nach wie vor unbekannt; sie tauchten 2017 auf, im Internet, auf Playlists, als Avatare, die mit verfremdeten Stimmen sangen. Ihre Lieder handeln selten von der Leere des Lebens, öfter von Luxusartikeln.
»Babe, bei Juwelen kenn ich keine Grenzen. Ich schmück dich, du bist mein Tannenbaum«, geht eine Zeile. Man kann Ironie vermuten. Eine, die ankommt, beim Publikum. Blieben bei Tristan und Maeckes noch Plätze frei, ist der Saal nun randvoll, teils kurz vorm Tumult. Ihr gepitchter Gesang, die irreal verspielte, glänzende Oberfläche, die sie zelebrieren, die schleifende, klickende, mit Bässen groovende Musik besitzen Coolness – die Oper tanzt, wogt.
Die Masken fallen nicht
Yung Kafa und Kücük Efendi locken in eine ganz und gar künstliche Welt. Sie spielen nicht in einem Wohnzimmer unterm Weihnachtsbaum, sondern auf einer leeren Bühne, umzingelt von Spiegelflächen, projizierten Bildern wie Fata Morganas. Ein schwarzer Vorhang hebt und senkt sich, ein verpacktes Auto erscheint, bestimmt ein Traumwagen; einer der beiden steht oben und rappt: »Ich steh auf der Spitze des Berges und vergess das Tal.«
Im Netz sind ihre Gesichter verpixelt, auf der Bühne tragen sie Masken, besetzt mit funkelnden Sternen. Sie gehen lässig umher, in lockerer Kleidung, der eine mit dunklem Haar und groß, der andere blond und einen Kopf kleiner. Sie nehmen die Masken nicht ab, bleiben mysteriöse Kunstwesen aus einer Hiphop-Parallelwelt. (GEA)