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Die aus Reutlingen stammende Popkünstlerin Johanna Zeul studiert wieder

Johanna Zeul, aus Reutlingen stammende Singer-Songwriterin, gehörte zum ersten Jahrgang der Mannheimer Popakademie. Nun studiert sie erneut, diesmal am Popinstitut in Bochum. Davon erhofft sie sich viel.

Johanna Zeul auf dem Campus der Folkwang-Universität in Essen-Werden.
Johanna Zeul auf dem Campus der Folkwang-Universität in Essen-Werden. Foto: Markus Mondmann
Johanna Zeul auf dem Campus der Folkwang-Universität in Essen-Werden.
Foto: Markus Mondmann

BOCHUM. Dass man Popmusik studiert, ist erst seit Kurzem gängig. Die aus Reutlingen stammende Songpoetin Johanna Zeul tut es nun bereits zum zweiten Mal. Seit Oktober ist die mittlerweile 43-Jährige am Popinstitut in Bochum eingeschrieben, das Teil der Folkwang-Universität Essen ist. 2003 gehörte sie zum ersten Jahrgang der damals neu gegründeten Popakademie in Mannheim.

Seither hat sie mehrere Alben herausgebracht, Preise abgeräumt, beim Bundesvision Songcontest 2012 das Land Sachsen-Anhalt vertreten. Sie hat in Berlin gelebt, eine Weile in Magdeburg, wo ihr Mann Frank Benz am Theater arbeitete, später ist sie mit ihm und ihren zwei Töchtern aufs Dorf gezogen, nach Fischerhude bei Bremen. Zuletzt unterrichtete sie als private Musiklehrerin sowie an einer freien Grundschule in Berlin.

Neues Level angestrebt

Jetzt also nochmal Studium. Unter der Woche nächtigt sie vorerst in Bochum bei ihrem Fotografen Markus Bothur auf dem Sofa. Sie sei jetzt in der Mitte ihres Lebens, erzählt die Tochter des Gönninger Liedermachers Thomas Felder, da wolle sie ihr Schaffen nochmal auf eine neue Ebene bringen. Zumal ihre beiden Töchter mit elf und dreizehn schon selbstständiger seien.

Zu Beginn ihrer Karriere sei ihr Fokus vor allem darauf gelegen, »dass ich ein unverwechselbares Gesamtkunstwerk bin«. Mit anderer Musik habe sie sich damals nicht so sehr beschäftigt. Auch nicht mit den Grundlagen ihrer eigenen Musik. Nun wolle sie in der Lage sein, ihre Songs zu analysieren, sie mit neuen Akkorden zu unterlegen, sprich: zu »reharmonisieren«. Zudem wolle sie mit Mitmusikern zielgerichtet kommunizieren können. Namhafte Kollegen hätten eine Zusammenarbeit zugesagt, doch deren Zeitplan ist eng. Der Austausch muss effektiv sein.

Von Gehörbildung bis Songanalyse

Eingeschrieben hat sich Zeul im Masterstudiengang Pop. Beim US-Jazztrompeter Ryan Carniaux lernt sie Gehörbildung, Klangexperte Numinos vermittelt ihr Wissen über Sound und Effekte. Beim Musikjournalisten Thomas Venker geht es um Popgeschichte und Popmarkt. Dazu kommen Songanalyse im Pop bei Gregor Schwellenbach sowie im Jazz bei Ken Richter und Ryan Carniaux. Zudem Musikvideo-Studien bei Verena Maas und Musik- und Medienrecht bei Anne Ohlen. Ein straffes Programm. Zumal die Jazzfächer an der Hochschulzentrale in Essen-Werden sind, die Popfächer in Bochum. Was Zeul zu Fahrten mit Bus und S-Bahn quer durchs Ruhrgebiet zwingt. Die Wochenenden gehören der Familie in Fischerhude. Von wo sie auf Sicht weg will. Das Dorf hat seinen Reiz, aber die Musik spielt woanders.

Glückserlebnis mit Billy Childs

Die erste Sternstunde im Studium hat sie schon erlebt. Der US-Jazzpianist und Komponist Billy Childs war fünf Tage als Dozent da. Die Arbeit mit ihm hat sie beflügelt. »Ich beschäftige mich jetzt mit Musik, von der ich früher gar nicht wusste, dass sie existiert«, erzählt Zeul. »Hätte ich schon früher Scott Henderson, Scott Kinsey, Billy Childs oder Carole King gehört, hätte mir jemand klargemacht, dass mein Songmaterial noch viel besser werden kann, indem ich versuche, diese Musik zu verstehen, so wäre ich heute viel weiter.«

»Musik darf viel verrückter sein!«: Johanna Zeul am markant bemalten Eingang zum Popinstitut Bochum.
»Musik darf viel verrückter sein!«: Johanna Zeul am markant bemalten Eingang zum Popinstitut Bochum. Foto: Verena Maas
»Musik darf viel verrückter sein!«: Johanna Zeul am markant bemalten Eingang zum Popinstitut Bochum.
Foto: Verena Maas

Henderson und Childs gehören zum Umfeld des mit Zeul befreundeten US-Schlagzeugers Joey Heredia. Dieser inspirierte Zeul, tiefer in die Musik zu tauchen, mehr Jazzeinflüsse aufzunehmen. Die in Deutschland übliche starke Trennung in Pop und Jazz ist in den USA nicht gebräuchlich, da sei man viel offener. »Meine Beobachtung ist, dass der Output von Popmusik in Deutschland immer mehrere Jahre nachhängt im Vergleich zum angloamerikanischen Markt. Das liegt daran, dass es in Deutschland, meiner Meinung nach, zumindest im sogenannten Pop, am Mut zur ureigenen Kreativität mangelt. Musik darf viel verrückter sein!«, erklärt Zeul. Durch ihre vertiefte Auseinandersetzung mit Popmusik will sie dazu beitragen, »dass deutsche Popmusik ihren Kinderschuhen entwächst und für den internationalen Markt interessant wird«.

Wunschtraum LACM

Am liebsten würde Zeul in Los Angeles studieren, am renommierten Los Angeles Collage of Music, kurz LACM. Dank Joey Heredia konnte sie dort bereits hineinschnuppern – und war begeistert, wie hier die Größen der Branche praxisorientiert unterrichten. Sie lernte Teile des Dozentenstamms kennen, darunter Iris Cepeda und David Joyce (Gesang), Ronnie Gutierres (Percussion), Joey Navarro (Keyboard, Produktion). Renato Neto, der Keyboarder von Prince, war gerade auch da. »Let's jam next time!«, waren seine Abschiedworte. Zum Programm des LACM gehört auch eine Ausbildung an mehreren Instrumenten und im Gesang – was ihr an der Folkwang Universität fehlt. Für den Bachelor-Studiengang »Music Composition Major Emphasis Songwriting« am LACM hat sie sogar eine Zusage. Nur ist die Einrichtung privat, die Gebühren sind für sie nicht zu stemmen, obwohl das LACM ihr ein Teilstipendium anbietet. In Los Angeles neue Fähigkeiten und Kontakte aufzubauen, um beides in Deutschland einzubringen – vorerst bleibt es Wunschtraum.

Ihr Masterstudium in Bochum geht mindestens zwei Jahre – Zeul rechnet mit mehr. Weil die Familie sie beansprucht, weil sie parallel als Musikerin »auf dem Markt bleiben« will. Derzeit fühlt sie sich sehr angeregt. Neue Lieder entstehen. Eine Zusammenarbeit mit einem Tänzer kann sie sich vorstellen. Sie steht in Kontakt mit Dozenten wie Gareth Lubbe (Viola, Obertongesang), Martin Sasse (Jazzpiano), dem Posaunisten Ansgar Striepens, der als Arrangeur schon für Helge Schneider, Clueso, Scott Kinsey und Billy Childs gearbeitet hat. Sie möchte Einzelstunden mit ihnen ergattern, die sie vorbereiten sollen für Los Angeles. Das LACM bleibt im Blick. Udo Dahmen, Gründer und ehemaliger Leiter der Popakademie Mannheim, und Andrea Rothhaug, die Gründerin von Music Women* Germany und Rock City Hamburg, haben ihr Empfehlungsschreiben ausgefertigt. Damit sucht Zeul jetzt nach Sponsoren, die ihr die Umsetzung ihres Wunschtraums ermöglichen. (GEA)