Logo
Aktuell Konzert

Das Collegium Musicum feiert in Tübingen Armeniens musikalisches Erbe

Das National Chamber Orchestra of Armenia und der Akademische Chor Tübingen unter der Leitung von UMD Philipp Amelung gestalten einen Konzertabend in der Neuen Aula, der das reiche kulturelle Erbe Armeniens würdigt und Brücken zur europäischen Musik schlägt. Im Mittelpunkt stehen die tiefgründigen Werke zweier armenischer Legenden.

Das National Chamber Orchestra of Armenia und der Akademische Chor der Universität Tübingen bei der Aufführung im Festsaal der N
Das National Chamber Orchestra of Armenia und der Akademische Chor der Universität Tübingen bei der Aufführung im Festsaal der Neuen Aula. Foto: Lorenz Adamer
Das National Chamber Orchestra of Armenia und der Akademische Chor der Universität Tübingen bei der Aufführung im Festsaal der Neuen Aula.
Foto: Lorenz Adamer

TÜBINGEN. Das National Chamber Orchestra of Armenia und der Akademische Chor Tübingen unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor Philipp Amelung gestalteten einen Konzertabend in der Neuen Aula, der das reiche kulturelle Erbe Armeniens würdigte und Brücken zur europäischen Musik schlug. Im Mittelpunkt standen die tiefgründigen Werke zweier armenischer Legenden: Komitas Vardapet und Charles Aznavour.

Der erste Konzertteil widmet sich dem Priester und Musikpionier Vardapet. Hier entfaltet das armenische Kammerorchester eine programmsinfonische Reise in sein Heimatland, voller Melancholie und zugleich von Freude durchdrungen. Zur Eröffnung erklingt der farbenprächtige »Edchmiazin Dance«, der mit seiner Leichtigkeit und rhythmischen Lebendigkeit fast zum Tanzen einlädt. Stilistisch zeigt sich eine Vielfalt an unterschiedlichen Werken, wie etwa das melancholisch-lyrische »It’s Spring«, das die armenische Klangwelt in ein facettenreiches Licht taucht. Hier erschafft das Orchester unter der Leitung Amelungs eine ganz eigene Klangwelt zwischen Nostalgie und Hoffnung.

Musikpionier Komitas Vardapet

In der eindringlichen Interpretation stehen die verbindenden Klangkonturen im Fokus und lassen eine tiefe Verbundenheit zu den Werken von Komitas entstehen – einem hierzulande noch zu wenig bekannten Komponisten, dessen Musik fremd und zugleich vertraut wirkt. Auch solistisch entfalten sich beeindruckende Momente: In »Swallow« brilliert die Pianistin Sona Barseghyan mit klarer, zärtlicher Ausdruckskraft und fügt dem Konzert eine besondere Wärme hinzu. Das Zusammenspiel zwischen ihr und dem Orchester wirkt wie ein poetischer Dialog – mal führt die Pianistin, mal überlässt sie den Streichinstrumenten die Führung.

Ein weiteres Highlight ist »Krunk«, bei dem Konzertmeisterin Astghik Vardanyan die dunkle, ausdrucksstarke Klangfarbe ihrer Geige voll zur Geltung bringt. Die Musik scheint in ihren melancholischen Nuancen zu sprechen, und das Orchester vermittelt eine fast erzählerische Qualität, die das Publikum in die Welt von Komitas entführt – eine Welt voller archaischer Melodien, rhythmischer Lebendigkeit und intensiver Emotionalität.

Aznavour zum 100.

Der zweite Teil des Konzerts ist Charles Aznavour gewidmet, dessen 100. Geburtstag 2024 gefeiert wird. Der Übergang von Komitas zu Aznavour gestaltet sich harmonisch und dennoch kontrastreich. Hier zeigt das Ensemble eine andere Facette und zelebriert Aznavours Fähigkeit, armenische Melodien mit dem französischen Chanson zu verschmelzen. Mit »Pour Toi, Armenie« setzen der Akademische Chor und das Orchester einen dramatischen Höhepunkt, mitfühlend und pathetisch zugleich.

Der harmonische Klangraum, den Chor und Orchester entfalten, füllt die Neue Aula klangvoll und feierlich. Das »Ave Maria« beginnt mit dem toll abgestimmten Männerchor, der sanft zu den Frauenstimmen überleitet und so eine Stimmung von Harmonie und Andacht schafft. Amelung führt den Chor und das Kammerorchester mit präziser Hingabe, sodass die Chansonklänge wie ein farbenreicher Strom durch den Raum fließen und Aznavours Sehnsucht lebendig werden lassen.

Beschwingtes Klangbild

Besonders mitreißend ist das abschließende Potpourri, das Aznavours bekannteste Melodien zu einem bunten, beschwingten Klangbild verwebt. Hier scheint das Orchester förmlich zu tanzen, und Amelung selbst wird von dieser Leichtigkeit ergriffen, sein Dirigat gewinnt eine spielerische Dynamik.

Am Ende des Abends hält die Stimmung das Publikum wie in einer Umarmung gefangen: Es wird nicht nur der 100. Geburtstag von Aznavour gefeiert, sondern auch die musikalische Seele Armeniens in ihrer Vielfalt und Tiefe. (GEA)