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Betzinger Maler-Philosoph: Zum 100. Geburtstag von Normann Bögle

Maler und Philosoph: Erinnerung an den 100. Geburtstag von Normann Bögle, der in Betzingen wirkte.

Normann Bögles Aquarell »Fuhrwerk bei der Heuernte« aus dem Jahr 1947.
Normann Bögles Aquarell »Fuhrwerk bei der Heuernte« aus dem Jahr 1947. Foto: Hermann Pfeiffer
Normann Bögles Aquarell »Fuhrwerk bei der Heuernte« aus dem Jahr 1947.
Foto: Hermann Pfeiffer

REUTLINGEN-BETZINGEN. Der Bekanntheitsgrad von Normann Bögle lässt zu wünschen übrig. Als er 1946 mit 23 Jahren aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hatte er in Willi Baumeister einen Fürsprecher. Sein Vater, Wilhelm Bögle, freundete sich als Polizist in Urach mit dem dort zeitweilig lebenden berühmten Künstler der Moderne an. »Mein Sohn malt auch«, erläuterte er dem Stuttgarter. »Mit diesen Porträts und Bleistiftzeichnungen von der Front kann der gleich zu mir in die Meisterklasse kommen«, hieß dessen Kommentar.

1947 war die Kunstakademie Stuttgart ein Trümmerhaufen. »Die Professoren«, so Bögle, »fühlten sich als revolutionäre Kämpfer. Gegenständliche Bilddarstellung von Nachimpressionismus, Expressionismus und seinen Abzweigungen Futurismus, Tachismus und andere Stilrichtungen nährten manche abenteuerlichen Zukunftsvorstellungen.« Wem das Zeichnerische weniger gelang, wich in die Abstraktion aus. Normann Bögle wollte dieser Lesart nicht folgen. Er beschwor seine »eigene Begabung, Fähigkeit, Sensibilität und Kraft« und verließ sich ganz auf seine gegenständliche Bildsprache. Sein Studium setzte er bei Fritz Steißlinger, Hans Meid und Karl Rössing fort.

Lehrkraft der Gipsermeisterschule

Nach vier Jahren Akademiezeit musste Bögle seine beruflichen Weichen stellen. Die Firma seines Vaters, die Wilhelm Bögle KG mit Sitz in Betzingen, belieferte das Handwerk der Gipser und Stuckateure. Plötzlich befand sich der Akademie-Absolvent unter den Fachleuten dieser Branche. Sie engagierten ihn als Lehrkraft an der Reutlinger Gipsermeisterschule. Stilkunde, Farbgestaltung von Fassaden, Sgraffiti, Darstellung der Epochen einzelner Kunstrichtungen standen auf dem Plan. Als Berater der Landesschau der Stuckateure in Stuttgart 1963 wurde er gewonnen. Mehr und mehr entstand der Eindruck, als blieben Pinsel und Zeichenstift durch die ihm übertragenen Aufgaben außen vor.

Dem war nicht so. Das wurde 1997 deutlich, als die 90 Jahre zuvor beschlossene Eingemeindung Betzingens nach Reutlingen gefeiert wurde. Bögle zeigte aus diesem Anlass seine Arbeiten im Sitzungssaal des Betzinger Rathauses. Eine Umgebung, die ihm als ehemaligem Bezirksgemeinderat bestens vertraut war. Bilder in Aquarell, Öl, Tempera, Acryl waren zu sehen. Neben der Malerei, die zu einem guten Teil von der direkten Impression ausging, schuf er Bleistiftzeichnungen, Tuschzeichnungen mit Schilfrohr oder Feder, teils laviert, koloriert. Auch mit der Radierung setzte er sich auseinander.

Normann Bögle im Atelier, im Hintergrund seine Farbkugel mit 134 Abstufungen (1999).
Normann Bögle im Atelier, im Hintergrund seine Farbkugel mit 134 Abstufungen (1999). Foto: Hermann Pfeiffer
Normann Bögle im Atelier, im Hintergrund seine Farbkugel mit 134 Abstufungen (1999).
Foto: Hermann Pfeiffer

Im Juli 1999 stand der 75. Geburtstag von Normann Bögle an. Der Chronist erhielt den Auftrag, dessen Schaffen in Buchform zu dokumentieren. »Malerei«, »Zeichnungen«, »Das Betzinger Trippelhaus geistert im Internet« und »Stiegenhäuser links und rechts der Echaz« bildeten die wichtigsten Kapitel. Greift man das Motiv »Fuhrwerk bei der Heuernte« (1947) heraus, dann geht es hier um eines der wenigen Bilder, dem die örtliche Zuordnung fehlt. Aber gerade diese Ungezwungenheit, dieses Zusammenspiel einiger flächigen Pinselstriche zu einer Szene von bezwingender Spontaneität macht diese Sommerstimmung aus.

Philosophische Ansätze

Bei Gesprächen in seinem Betzinger Atelier konnte man von Bögles breitem Horizont profitieren. Seine jahrelange keltische Geschichtsforschung wird zum Ausgangspunkt einer anderen Bildsprache. Ganze Serien über große Philosophen von Seneca bis Wittgenstein entstehen. Das Quadrat, den Kreis, das Dreieck erhöht er zum mäanderförmigen Ornament. Es entstehen Farbkonstellationen, die sich an der von ihm erbauten Farbkugel mit ihren 134 Abstufungen orientieren. In Kleinplastiken führt er Bildhaftes zu neuer Figuration.

Normann Bögle hinterlässt nach seinem Tod 2013 einen Lehrsatz: »Wenn Farbenordnung mit dem menschlichen Wesen gleichlaufend ist, wenn Formen mit dem menschlichen Rhythmus verwandt sind, ist das Studium der Malerei und der Geometrie eine philosophische humane Weisung der Selbsterkenntnis.« (GEA)