REUTLINGEN. Silvesterzeit ist Varietézeit. Zumindest am franz.K. Immer am Jahresende lebt im Reutlinger Soziokulturzentrum die Zirkuskunst auf. Mitten drin auch diesmal wieder: Alex Geiger alias Clown Klikusch. Für den GEA Grund genug, nachzufragen: Wie steht es denn so um das Varieté?
Aufführungsinfo
Der Varieté-Abend »Der große Schuss« wird im franz.K am 30. und 31. Dezember jeweils um 20 Uhr gezeigt. Für die Silvestervorstellung gibt es nur noch wenige Restplätze, für die Aufführung am 30. Dezember waren zuletzt noch mehr Karten verfügbar. (GEA)
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Geiger, seit 20 Jahren in Glems lebend, sieht die Sache vorsichtig optimistisch. »Wenn man es schafft, die Leute mit guten Programmen zum Lachen zu bringen, hat man immer Arbeit.« Es gebe aber auch viel Konkurrenz. »Man muss immer dranbleiben, sich immer wieder neu erfinden«, sagt er. Ein Boom-Genre wie die Comedy sei das Varieté nicht, wo eine unüberschaubare Zahl an Akteuren die Bühnen fluten. Für klassisches Clowntheater Auftrittsorte zu finden, sei nicht einfach. Ein gewisses Publikum sieht er für das klassische Varieté indes schon. »Für mich selber ist es immer aufwärts gegangen.«
Klassisches Clown-Trio
Mit Straßentheater hat er 1994 angefangen, 1996 bildete er sich an der staatlich anerkannten Tanz- und Theaterschule TuT in Hannover zum Clown aus. »Da ging's darum, wie entwickelt man eine Figur? Wie erarbeitet man Szenen? Was ist eigentlich komisch?« Vieles davon spiegelt sich in seinem Auftritt im Silvester-Varieté im franz.K wider. Zusammen mit zwei weiteren Clowns gestaltet er in sechs Szenen eine burleske Rahmenhandlung, in die die Auftritte der anderen Künstler eingebettet sind.
Geiger, Thomas Schäberle und ihr tschechischer Kollege Milan Rožtek sind die »Tre Brevi«, die »Drei Kurzen«. »Das ist ein klassisches Clowns-Trio«, erklärt Geiger. Schäberle alias Direttore Alfredo gibt den Zirkusdirektor, Rožtek alias Clown Jusuf den tollpatschigen Underdog, Geiger alias Klikusch klemmt dazwischen. Allein aus dieser Hierarchie, die gesellschaftliche Hierarchien parodiere, erwachse Komik, so Geiger. Die drei streben nach Höherem, wollen als menschliche Kanonenkugel sogar den Mond erreichen. »Es geht um den Traum vom Fliegen, mit viel Menschlichkeit und viel Lust am Scheitern.«
Musik-Slapstick und Revue-Flair
Dazwischen decken mehrere Gastnummern ein breites Spektrum ab. Die Hoochie-Coochie-Girls bringen mit Tanz und Luftakrobatik Revue-Flair in den Saal. Sie bestehen aus der Stuttgarterin Lena Biedlingmaier und der Freiburgerin Viola Schley. Aus Bremen kommt das Duo Digger & Dig an die Echaz. Die beiden Musiker an Kontrabass und Gitarre sind angeblich auf dem Weg zu einem Auftritt in Acapulco, verstricken sich aber in ein Spiel aus Slapstick, Musik und skurrilen Dialogen in einer an Französisch oder Italienisch erinnernden Fantasiesprache. Sie umrahmen das Programm auch musikalisch.
Auch der Nachwuchs bekommt seine Chance. Denn Geigers Tochter Wilma, 14, und Rožteks Tochter Zofie, 16, sind längst ebenfalls mit der Varietéwelt verbunden. Sie zeigen gemeinsam eine Nummer mit Schlangenfrau-Elementen (»Kontorsion«) und einem großen Stahlreifen (»Cyr Wheel«) sowie Luftakrobatik. Alex Geiger ist schon länger als Trainer beim Circus Circuli aktiv, dem mit dem Friedrichsbau-Varieté verbandelten Stuttgarter Jugendzirkus. Wilma sei von klein auf dabei gewesen, erst bei Ferienprogrammen, später in kleinen eigenen Produktionen. Inzwischen sei sie festes Mitglied des Ensembles, mit Luftakrobatik, Kontorsion, Clowntheater, und selbst als Jugendtrainerin aktiv. Der Besuch einer Zirkusschule steht als Perspektive im Raum.
Kreativität statt Leistungsdruck
Er habe das nicht forciert, beteuert Geiger. Ohnehin stehe beim Stuttgarter Jugendzirkus nicht Leistungsdruck, sondern das kreative Miteinander im Vordergrund. Auch Spieler mit Behinderung seien willkommen. »Das ist ein tolles Umfeld, um soziale Kompetenzen zu erwerben«, findet Geiger. Der Zirkus betreibe Austausch-Aktionen mit Partnerzirkussen in St. Louis/USA und Brünn in Tschechien; auch beim jährlichen Straßentheaterfestival am Bodensee sei man dabei. Regelmäßig ist man im Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté zu Gast. »Wenn man da vor bis zu 300 Menschen auftritt, gibt das was fürs Selbstbewusstsein«, betont Geiger. Am Nachwuchs fürs Varieté mangelt es also nicht. (GEA)