KUSTERDINGEN-WANKHEIM. 100 Kilometer pro Stunde auf einer Breite von vier Metern: Auf einigen Kusterdinger Straßen müssen Verkehrsteilnehmer gut aufeinander achten. Der Gemeinderat hatte Ende 2023 an das Tübinger Landratsamt mehrere Anträge gestellt, um den Verkehr auf den Härten sicherer zu machen. Die Initiative ging von der Agendagruppe »Klimaschutz Härten« aus. Die Absagen kamen im Frühjahr.
Ein Wunsch war es, eine Fahrradstraße einzurichten: von Wankheim, durch die Unterführung bei der B 28, vorbei am jüdischen Friedhof in Richtung Häckselplatz. Die Antwort des Landratsamts: eine »konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs« und eine »hohe Fahrradverkehrsdichte« seien auf der Strecke nicht erfüllt. Ein weiteres Nein gab es für den Streckenabschnitt, der vorbei am Sendemast in Richtung Schäferhundeverein führt. Der sollte mit einem Fahrverbot für Motorfahrzeuge belegt werden. Das Landratsamt sehe allerdings keine »das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit von Schadenseintritten«. Folglich sei das Verbot »mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren«.
Strecke Nummer drei: Vom Hundedressurplatz bis zur Lustnauer Straße wurde ein Radschutzstreifen angefragt. Und noch eine Absage: »Radschutzstreifen sind grundsätzlich nur innerhalb geschlossener Ortschaften zulässig.« Die Straße sei nicht breit genug, um einen Überholabstand von zwei Metern zu gewährleisten.
Verkehrszählung selber in die Hände genommen
Gerhart Ryffel von der Agendagruppe »Klimaschutz Härten« und seine Mitstreiter haben trotzdem nicht aufgegeben. Mehrfach haben sie das Landratsamt und auch das Verkehrsministerium angeschrieben. Nun sind sie selber tätig geworden. Ende September hatte sich ein Team an einem Werktag von 7 bis 9 Uhr morgens an die Straße gestellt und Fahrräder und Autos gezählt. 176 Räder und 96 Autos waren es. »Fast zwei Drittel der Verkehrsteilnehmer waren also Fahrräder«, gibt Ryffel zu bedenken. »Es ist für Autofahrer zumutbar, die Kreisstraße zwischen Wankheim und Kusterdingen zu nutzen. Die Strecke sollte ein sicherer Schulweg zum Blaulach-Gymnasium sein.« Richtung Kusterdingen radelten in den zwei Stunden demnach 65 Menschen, darunter 30 Kinder.
Plakate wurden gestohlen
Kann der gesetzlich vorgeschriebene Überholabstand von zwei Metern auf der Straße eingehalten werden? Mithilfe von Sensoren, die die »Klimaschutz Härten« beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ausgeliehen hatten, wurde das überprüft. Und zwar an unterschiedlichen Tagen zu unterschiedlichen Zeiten. Die Tester montierten Sensoren an ihren Rädern. »89 Prozent der Autos hatten - bei 55 erfassten Überholungen - weniger als zwei Meter Abstand zum Fahrrad. Im Extremfall war der Abstand nur 44 Zentimeter«, schildert Ryffel.
Doch nicht jeder unterstützt die Agendagruppe in ihrem Vorhaben. Um auf die Gefahrenstellen aufmerksam zu machen, hatten Ryffel und seine Mitstreiter im Frühling bereits Plakate am Dorfausgang Wankheim und am jüdischen Friedhof aufgestellt. Nach zwei Tagen seien diese von Unbekannten entfernt worden. Mit den erfassten Daten hat sich die Gruppe erneut an das Landratsamt gewandt. Dieses hat geantwortet, dass sie im nächsten Jahr ein Gespräch über das Thema anbieten möchte.
»Klimaschutz Härten« hat noch mehr Projekte auf dem Schirm: Eine weitere Verbindungsstraße, auf sich Verkehrsteilnehmer in die Quere kommen können, ist die von Jettenburg nach Kusterdingen. Auch diese ist nur vier Meter breit. »Auch die Straße von Wankheim Richtung Bläsikelter ist sehr eng«, sagt Ryffel. (GEA)