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Wie eine Tübinger Familie gegen den Blutkrebs kämpft

Papa Christian ist an Blutkrebs erkrankt. Nur eine Stammzellspende kann den 37-jährigen Vater von drei kleinen Söhnen noch retten. Dafür plant die Familie Kiefer zusammen mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) am Samstag zwischen 10 und 14 Uhr eine große Aktion am Tübinger Landratsamt. Wie die Diagnose das Leben der Familie verändert hat.

Der 37-jährige Christian Kiefer aus Tübingen ist an Blutkrebs erkrankt und braucht eine passende Stammzellspende, um zu überlebe
Der 37-jährige Christian Kiefer aus Tübingen ist an Blutkrebs erkrankt und braucht eine passende Stammzellspende, um zu überleben. Foto: Privat
Der 37-jährige Christian Kiefer aus Tübingen ist an Blutkrebs erkrankt und braucht eine passende Stammzellspende, um zu überleben.
Foto: Privat

TÜBINGEN. Es sind Schicksalstage für die Familie Kiefer. »Christian ist mit seiner ersten Chemotherapie bald fertig, und die Knochenmarkpunktion steht kurz bevor«, erzählt Bruder Benjamin mit ruhiger Stimme. »Dann sehen wir, ob die Therapie angeschlagen hat.« Bis das Ergebnis da ist, werden noch einige Tage ins Land gehen - wahrscheinlich mit Bangen, Zittern und Hoffen.

Der 37-jährige Christian, Vater von drei kleinen Jungs, kämpft gegen Blutkrebs. Die Diagnose - akute Leukämie - kam Anfang Juli, nach Monaten der Schwäche und Krankheit. Seitdem steht der Alltag der ganzen Familie auf dem Kopf. »Es geht mit einem Tag und Nacht spazieren«, sagt Christians Mama Gabi. »Man hat das Gefühl, man sitzt auf einem Pulverfass.«

Kinder dürfen Vater nicht besuchen

Seine drei Jungs im Alter von neun, acht und fünf Jahren können den jungen Vater, der im Krankenhaus liegt, nicht besuchen - zu groß ist die gesundheitliche Gefahr für Christian, dessen Immunsystem durch die Chemotherapie schwer angeschlagen ist. »Zum Glück gibt es Videoanrufe«, sagt Bruder Benjamin. Der älteste Sohn verstehe schon so langsam, was gerade passiert, die Jüngeren noch nicht so ganz. Aber sie spüren, dass etwas nicht stimmt, vermissen den Papa. Die Sorgen der Familie sitzen tief, denn auch, wenn die Chemotherapie anschlägt und den Krebs zurückdrängt, bedeutet das keine Heilung. Besiegt werden kann die Leukämie nur, wenn ein passender Stammzellspender für Christian gefunden wird. Ohne diese Spende wird der 37-jährige Vater sterben.

Deshalb setzen die Kiefers jeden möglichen Hebel in Bewegung, um Christians »genetischen Zwilling« - einen passenden Stammzellspender - zu finden. Zusammen mit der Deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in Tübingen, die Spender findet, registriert und mit Blutkrebspatienten zusammenbringt, hat die Familie eine große Registrierungsaktion geplant. »Das ist das einzige, was wir im Moment tun können, um Christian wirklich zu helfen«, erklärt Benjamin.

Spender können Leben retten

Hartnäckig hält sich die Mär, dass eine Stammzellspende aus dem Rückenmark entnommen wird und der Eingriff beim kleinsten Fehler zu Lähmungen führen könnte. Das ist falsch. Um die Stammzellen zu gewinnen, werden zwei Verfahren angewendet: die periphere Stammzellenentnahme und die Knochenmarkentnahme. Beide sind risikoarm, wie die DKMS ausdrücklich betont.

Die periphere Stammzellenentnahme wird in 80 bis 90 Prozent aller Fälle angewendet. Dabei werden Stammzellen aus dem Blut gewonnen. Zuerst muss der Spender über fünf Tage hinweg ein Medikament einnehmen, das den Wachstumsfaktor G-CSF enthält. Dieser körpereigene Stoff ist für die Produktion von Stammzellen und deren Ausschwemmung in die Blutbahn verantwortlich. Bei einem speziellen Verfahren, das der Blutspende ähnlich ist, werden die Stammzellen aus dem angereicherten Blut extrahiert. Der Eingriff wird im Regelfall ambulant durchgeführt und dauert zwischen drei und fünf Stunden.

Die Knochenmarkentnahme wird in den verbleibenden zehn bis 20 Prozent aller Fälle angewandt. In einer speziellen Klinik wird dem Spender unter Vollnarkose das Knochenmark direkt aus dem Beckenkamm entzogen. Der Körper regeneriert die entnommene Menge - rund fünf Prozent des Gesamtknochenmarks - innerhalb weniger Wochen wieder vollständig. Spender müssen rund drei Tage im Krankenhaus verbringen und vier weitere Tage zur Erholung zu Hause. Die DKMS übernimmt die Lohnfortzahlung bei Arbeitsausfall.

Die Risiken für den Spender sind sehr gering - im selteneren Fall der Knochenmarkentnahme ist die Narkose der gewichtigste Faktor. Wie bei jedem Eingriff in den Körper kann es nach der Spende zu lokalen Schwellungen und Schmerzen kommen, die aber innerhalb weniger Tage wieder abklingen. Laut DKMS spendet statistisch gesehen eine von hundert Personen in ihrem Leben Stammzellen. Eine Eintragung ins Spendenregister verpflichtet nicht zur Spende. (pru)

Am Samstag, 27. Juli, kann jeder Mensch zwischen 17 und 55 Jahren, der noch nicht bei der DKMS registriert ist, von 10 bis 14 Uhr durch einen schmerzlosen Abstrich zum potenziellen Stammzellspender und Lebensretter werden. Für die Registrierung muss nichts bezahlt werden - wenn gewünscht, können die Kosten von 50 Euro als Spende selbst übernommen werden. »Wir rühren die Werbetrommel in ganz Tübingen: Flyer, Plakate, Ortsblättle, Zeitungen, Social Media«, so Michael Kiefer, auch ein Bruder Christians. »Wir sind gewappnet und haben viele fleißige Helferlein vor Ort.« Der Zusammenhalt, den die Familie hat und erfährt, sei großartig.

Prominente Unterstützung in Tübingen

Dass die Umsetzung der Aktion so schnell klappt, ist auch ein Verdienst der bekannten Tübinger Ärztin Lisa Federle. »Lisa ist eine Freundin der Familie seit eh und je«, sagt Gabi Kiefer. Federle hat sich, nachdem sie von der Diagnose erfahren habe, mit dem Tübinger Landrat Joachim Walter in Verbindung gesetzt und über ihre Social-Media-Kanäle der Aktion viel Reichweite verliehen. So kam es auch, dass der Registrierungstermin beim Landratsamt stattfinden könne. Auch Tübingens OB Boris Palmer ruft in einem Facebook-Post zur Teilnahme auf. Das Motto: »Mund auf. Stäbchen rein. Spender:in sein.«

Wie viele Menschen dem Aufruf tatsächlich folgen werden, vermag Benjamin Kiefer nicht vorherzusagen. »Wer aber was tun möchte und nicht zum Termin kommen kann, kann an die DKMS spenden«, wirft Mutter Gabi ein. Auch könnten bereits Registrierte ihre Kontaktdaten aktualisieren, sonst verlaufe eine Benachrichtigung des DKMS eventuell im Sand. Und Christian verliere Zeit, die er nicht mehr hat. (GEA)