KIRCHENTELLINSFURT. Es soll Menschen geben, die sich ausschließlich im »Strandbereich« des Epplesees in Kirchentellinsfurt aufhalten. Abgesehen von Badegästen und Wassersportlern kommt eine andere Gruppe regelmäßig an den See: Angler. Der Fischereiverein Reutlingen hat sein Vereinsheim an der westlichen Seite des Sees. Seine Mitglieder kümmern sich um das ökologische Gleichgewicht im See und damit um die Lebewesen darin.
Am Wochenende, bei widrigem Wetter, ging es vor allem um den Schutz laichender Fische und ihres Nachwuchses: »Wir machen Hegemaßnahmen«, erklärte Christian Becker, Vorsitzender des Reutlinger Fischereivereins. Neu sei die Zusammenarbeit mit der Fischereiförderungsstation Langenargen am Bodensee. Man wolle die Lebensweise des Wallers erforschen, Daten unter anderem zu dessen Wander- und Fressverhalten erheben.
Hegemaßnahmen bei widrigem Wetter
Um diesen Fische zu angeln brauche man schweres Gerät, betonte Reinhart Sosat, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands, und zeigte auf die Angeln: »Das sind Glasruten, die allein sind 60 Pfund schwer.« Es brauche zwei Leute um die bis zu 80 Kilogramm schweren Welse aus dem Wasser zu ziehen.
»Früher kam der Wels hier im See nicht so häufig vor wie heute«, stellte Christian Becker fest. Im Neckar sei er verbreiterter gewesen. Der Wels sei ein Gewinner der Klimaerwärmung, so der Vorsitzende des Reutlinger Fischereivereins: »Er mag es warm, er hat hier keine natürlichen Feinde.« Außer den Menschen, die ihn angeln.
In der Kinderstube, geschützt vor Welsen und Kormoranen
Der Wels wiederum bedroht andere Fischarten, denen am Epplesee zudem jagende Wasservögel wie Kormorane, Haubentaucher oder Eisvögel zusetzen. Hier kommen Zander, Aale, Barsche, Karpfen, Rotaugen, Rotfedern oder Brachsen vor. Für diese Fische richteten die Reutlinger Angler im Nordosten des Sees eine Schutzzone als Laichbereich ein: Diese »Kinderstube«, so Becker, wird von einem Schilf- und Rohrgürtel umgeben.
Der Reutlinger Fischer-Chef wies in Richtung des nordwestlichen See-Abschnitts. Dort wollte ein Investor eine Wakeboard-Anlage installieren. Seine Genugtuung, dass es nicht soweit kam, verhehlte Becker nicht: »Dort befindet sich die letzte intakte Muschelbank.« Man könnte sagen: Der beste organische Wasserfilter, den der Kirchentellinsfurter Badesee zu bieten hat.
Holzbunker simulieren früher natürlich vorkommende Laichplätze
Zurück zum Laichbereich: Die Reutlinger Angler installierten zuletzt »Bunker«, verschieden große Verschläge aus Holz und mit Holz darin, in denen die jungen Fische ungestört heranwachsen können. Laut Reinhart Sosat schaffe man auf diese künstliche Art und Weise eine Umgebung, wie sie früher natürlich vorkam: »Da fiel halt ein Baum vom Ufer ins Wasser und blieb darin liegen.« Die Laichzonen werden zudem durch Bojenketten vom Rest des Sees abgegrenzt.
Umso ärgerlicher ist, dass es eine Gruppe Menschen gibt, der es scheinbar egal ist, dass die Natur Rückzugsgebiete braucht: Stand-Up-Paddler. Zum Ärger der Mitglieder des Reutlinger Fischereivereins scheinen einige von ihnen die eingerichteten Schutzzonen zu ignorieren, um sich so ein Laichgebiet einfach mal aus der Nähe anschauen zu können.
Eingeschleppte Marmorkrebse bedrohen geschützte heimische Steinkrebsart
Ein anderes Ärgernis ist das Vorkommen von Marmorkrebsen im Epplesee. Vorkommen ist untertrieben: Die Tiere verbreiten sich rasend schnell: »Weibchen können sich selbst klonen, sie brauchen keine Befruchtung«, erklärte Reinhart Sosat. Er vermutete, irgendjemandem sei das Tier im eigenen Aquarium zu viel geworden und habe den Inhalt des Gefäßes dann einfach in den Epplesee gekippt. Seitdem ist der eigentlich im Südosten der USA heimische Marmorkrebs eine Plage: Er droht heimische Krebsarten bis zu deren Exitus zu verdrängen.
Die Mitglieder des Reutlinger Fischereivereins legten um den See herum neun Reusen aus. Reinhart Sosat staunte, wie viele Marmorkrebse in die Falle gingen: »Es scheint ein großer Bestand zu sein.« Künftig solle zwei Sperren am Ausfluss des Sees verhindern, dass Marmorkrebse in den Schlierbach wandern. Dort lebe eine geschützte Steinkrebsart, deren Population in den letzten zehn Jahren um die Hälfte geschrumpft sei. Laut Sosat wäre es am besten, den Bach ein kurzes Stück durch ein Edelstahlrohr zu leiten. Das sei für die Krebse nicht zu überwinden. (GEA)