TÜBINGEN. Von über 10.000 Besuchern im Corona-Jahr 2020 auf rund 37.000 Besucher im Jahr 2024: Die Verantwortlichen des Stadtmuseums Tübingen sind erfreut über die »durchaus positive Entwicklung« der Besucherzahlen, wie Museumsleiterin Wiebke Ratzeburg berichtet. Der Rückgang um rund 3.000 Besucher im Vergleich zum Vorjahr scheint dabei verkraftbar. Auch Florian Mittelhammer, Leiter des Tübinger Hesse-Kabinetts, äußert sich positiv: »Die Besucherzahlen des Hölderlinturms haben im Vergleich zum Vorjahr einen Sprung von rund 50 Prozent gemacht.«
Ratzeburg führt den Erfolg des Stadtmuseums unter anderem auf den »Publikumsmagneten« der erfolgreichen KI-Ausstellung »Cyber and the City« zurück. »Das Thema künstliche Intelligenz war plötzlich überall präsent. Die Ausstellung traf genau den richtigen Zeitpunkt und zog erstmals viele junge Erwachsene, insbesondere Studenten an. Das ist eine Gruppe, die wir sonst schwer erreichen«, erklärt die Museumsleiterin. Mittelhammer sieht mehrere Gründe für den deutlichen Besucherzuwachs des Hölderlinturms: darunter das neu eröffnete Museumscafé und die höhere Frequenz von Veranstaltungen.
Das neue Programm, bestehend aus Ausstellungen, Veranstaltungen und Aktionen, soll der gesamten Museumsfamilie der städtischen Kultur – dem Stadtmuseum, dem Hesse-Kabinett und dem Hölderlinturm – noch mehr Rückenwind verleihen. Was Tübingens Kunst-, Kultur- und Literaturszene im Jahr 2025 zu bieten hat:
- Vielfältig Entdecken im Stadtmuseum
Ein besonderes Highlight in diesem Jahr wird die Eröffnung von weiteren Räumen der neuen Dauerausstellung im Stadtmuseum. Diese umfasst vier Bereiche: »Willkommen in Tübingen«, wo die Stadtgeschichte in der Gegenwart beginnt; »Tübingen in 5 Minuten«, das die Highlights der Stadtgeschichte präsentiert; »Tübingen Denkfabrik«, das sich mit Stadt- und Universitätsthemen befasst; und »Tübingen global«, welches die vielfältigen Verflechtungen der Stadt mit Menschen aus aller Welt beleuchtet. Diese neuen Ausstellungsräume sollen die Besucher noch tiefer in die Geschichte und Identität der Stadt eintauchen lassen und das kulturelle Angebot Tübingens bereichern.
Getreu dem Motto »Was gut ist, muss man nicht ändern« müssen sich die Besucher nicht von allen Wanderausstellungen des letzten Jahres verabschieden. So bleibt die Ausstellung »Meyers Minis – Big in London« noch bis zum 11. Mai im Stadtmuseum Tübingen . Diese würdigt das Leben und Werk des Künstlers Jeremiah Meyer, der die Schwierigkeiten seines Lebens in der Universitätsstadt hinter sich ließ und eine glanzvolle Karriere in London begann.
Ebenfalls verlängert wurde die interaktive Ausstellung »body rEVOlution!«, die Jugendliche und junge Erwachsene anspricht. Hier geht es nicht um perfekte Körperbilder, sondern um die Vielfalt der Körper und deren Wahrnehmung. Das Stadtmuseum möchte mit dieser Ausstellung zum Nachdenken anregen und bietet den Besuchern eine Plattform, um gängige Schönheitsideale zu hinterfragen.
Seit dem 2. Januar neu dabei ist die Ausstellung »Tübingen auf Hoher See«. Das klingt zunächst etwas ungewöhnlich - was hat die Neckarstadt mit dem Meer zu tun? Zwischen den 50er und 90er Jahren war die Stadt Tübingen die Patin von vier Hochschiffen. Dadurch lernten auch die Bewohner von Regionen fernab der Küsten das Meer und die Schifffahrt kennen. Geschenkaustausche, Feiertagsgrüße und Besuche des Schiffsbesatzung: Die Tübinger pflegten die Beziehung zu »ihren« Schiffen. Was es tiefergehend mit der ersten und einzigen »Nordsee«-Filialie in Tübingen und dem Schmuckset einer Gattin eines Universitätsdirektors auf sich hat, kann man bis zum 29. Juni herausfinden.
Mit der Ausstellung »my generation. Jung sein in Tübingen« richtet das Stadtmuseum Tübingen sein Augenmerk erneut auf die Jugend – und auf »ehemalige Jugendliche«, wie Museumsleiterin Wiebke Ratzeburg schmunzelnd betont. Die Ausstellung, die vom 13. Juni bis Februar 2026 zu sehen ist, beleuchtet die historische und aktuelle Wohn- und Lebenssituation junger Menschen in Tübingen. Was ist »Jugend« überhaupt? Darauf haben Pädagogik, Erziehungs- und Neurowissenschaften so wie nicht zuletzt die Jugendlichen selbst verschiedene Antworten, die es zu entdecken gilt.
In Zusammenarbeit mit dem Kelternmuseum Unterjesingen recherchiert das Stadtmuseum Tübingen zur Geschichte »500 Jahre Bauernkrieg«. Die Ausstellung, die am 1. Mai in Unterjesingen eröffnet, beleuchtet die Aufstände im heutigen Württemberg, an denen auch Bauern und Bürger aus der Region Tübingen beteiligt waren. Das Kelternmuseum ergänzt die Ausstellung mit seiner umfangreichen Sammlung zum ländlichen Leben und Arbeiten. Bis zum 5. Oktober können Besucher in diese historische Zeit eintauchen.
- Altbewährtes und Neues im Museum Höderlinturm
Die Gartenlesungen mit Gegenwartslyrik im Museumsgarten gehen in die zweite Runde, und die beliebte Sonderausstellung »Turm in Flammen. Die Fahndungsakte Feuerteufel« wurde bis zum 28. April verlängert. Eine Nachfolgeausstellung ist für dieses Jahr nicht geplant, da sich das Hölderlinturm-Museum auf andere Projekte konzentriert, wie etwa einen Workshop für Schüler.
»In der Schule interpretiert man Gedichte, aber das kreative Anwenden lyrischer Formen lernt man selten«, erklärt Florian Mittelhammer. Gemeinsam mit Studierenden der Uni Tübingen wurden Formate entwickelt, die Schüler zu einer kreativen Auseinandersetzung mit Verslehre und Lyrik anregen. Die Dichterwerkstatt Hölderlins dient dabei als Vorbild. »Zeigen, wie es geht«, fasst Mittelhammer das Ziel der Workshops zusammen.
- Das setzt das Hesse Kabinett um
Für den nicht nur in Tübingen bekannten, sondern weltberühmten Dichter und Nobelpreisträger Hermann Hesse spielte die Musik eine große Rolle. In seinen Werken hat er sich kontinuierlich mit dieser auseinandergesetzt. Welche musikalischen Kenntnisse Hesse wirklich hatte, und wie sich seine Affinität zu Musik in einzelnen Werken zum Ausdruck kommt, kann man in einem hörbaren Gang durch seine literarische und biografische Musikrezeption erfahren.
Ein ganz anderes Thema wird ab Herbst im sanierten Stadtschreiberhaus behandelt, das als Infozentrum zum Thema »über den Tod hinaus« dienen wird. In Verbindung mit dem Tübinger Stadtfriedhof, »einem der schönsten und bedeutendsten Friedhöfe Württembergs«, so Mittelhammer, soll dieses Zentrum Orientierung bieten: Wo liegt das Grab von Hölderlin, oder wie sah der Friedhof früher aus? Die Ausstellung lädt dazu ein, diesen historischen Ort zu erkunden und mehr über die Geschichte den Tod in Tübingen zu erfahren. (GEA)