TÜBINGEN. Wie genau reagieren der tropische Regenwald und seine Pflanzen auf extreme Dürre? Solche Prozesse zu verstehen, ist maßgeblich, um Wälder widerstandsfähiger gegen Trockenheit im Klimawandel zu machen und um Klimamodelle weiter zu präzisieren. Tübinger Wissenschaftler sind an einem Projekt um Professorin Christiane Werner von der Universität Freiburg beteiligt, das zu dieser Frage das bislang umfassendste Experiment durchgeführt hat. Dafür setzte das Team im US-Forschungszentrum Biosphere 2 einen künstlichen Regenwald 9,5 Wochen Dürre aus und beobachtete, welche Strategien unterschiedliche Pflanzen gegen die Trockenheit anwendeten.
Erstaunliche Reaktionen
Insgesamt wurde ein komplexes Zusammenwirken von unterschiedlich dürreresistenten Bäumen und Pflanzen sichtbar, das ausschlaggebend dafür war, die Stabilität des gesamten Waldsystems so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zudem ergab das Experiment weiteren Aufschluss, wie sich Dürre auf die CO2-Speicherung des Waldes auswirkt und wie Gasemissionen von dürregestressten Pflanzen die Atmosphäre und das Klima beeinflussen können.
Zu dem internationalen Team aus Hydrologen, Ökophysiologen, Mikrobiologen, Ökologen, Bodenwissenschaftlern, Biogeochemikern und Atmosphärenforschende gehörte Michaela Dippold, Professorin für Geosphären-Biosphären-Wechselwirkungen an der Uni Tübingen. Die Forschenden identifizierten vier Pflanzentypen mit unterschiedlichen Reaktionen auf die erzeugte Dürre: trockentolerante und trockenheitsempfindliche und in diesen beiden Kategorien große, Kronen bildende Bäume sowie Unterwuchsarten.
»Erstaunlich war die Reaktion zwischen den großen, trockenheitstoleranten und -empfindlichen Bäumen«, erläutert Christiane Werner. Die empfindlichen verbrauchen generell am meisten Wasser, besonders aus dem Oberboden. Da dieser auch am schnellsten austrocknete, litten sie am intensivsten am Wassermangel. Entgegen der Vermutung zapften sie aber nicht umgehend Wasserressourcen im tiefen Boden an.
»Stattdessen drosselten sie ihren Wasserverbrauch drastisch und griffen erst unter extremer Dürre auf ihre Tiefwasserreserven zurück«, sagt Werner. »Damit schonten sie möglichst lange tief liegende Wasserreserven, auch für die trockenheitstoleranten Bäume.« Diese hingegen erhielten durch ihren ohnehin geringeren Wasserdurchfluss länger ihr Blätterdach, was wiederum längere Feuchtigkeit im Unterwuchs unterstützte – ein geschonter Unterwuchs wirkt der Austrocknung im Oberboden entgegen, von dem die trockenheitsempfindlichen Bäume stark abhängen.
Das Wasser blieb durch das komplexe Zusammenwirken also länger im gesamten System. »Damit zeigt sich«, so Werner, »dass Pflanzen in einem Waldsystem unterschiedliche und gleichsam komplementäre hydraulische Strategien evolutionär entwickeln können – und mit diesem Zusammenspiel die Widerstandsfähigkeit des gesamten Waldes gegen Trockenheit erhöhen.«
Pflanzen arbeiten zusammen
Für ihre Erkenntnisse untersuchten die Forschenden die Flüsse von H2O und CO2. Sie gaben markiertes CO2 und H2O in die Biosphere 2 und verfolgten, wie sich diese Stoffe durch die Bäume, Pflanzen und Böden verteilten. So konnten sie unter anderem beobachten, wie intensiv Wasserverbrauch und -durchfluss der Pflanzen war, aus welchen Bodenregionen diese Wasser entnahmen und, wie und wo CO2 in den Pflanzen und Böden gespeichert und in die Atmosphäre abgegeben wurden.
Kohlenstoffspeicherung geringer
Erstmals wurde ein solches Markierungsexperiment in einem ganzen Wald durchgeführt, was nur innerhalb des abgeschlossenen Systems der Biosphere 2 möglich ist. So ließ sich bei der Speicherung und Emission von CO2 unter anderem beobachten, dass die Kohlenstoffspeicherung des Waldsystems sich um circa 70 Prozent verringerte. Das Team der Uni Tübingen um Michaela Dippold und Postdoktorandin Lingling Shi beschäftigte sich vor allem damit, wie sich dies auf die Kohlenstoffvorräte und -umsätze im Boden auswirkt.
»Die Pflanzentypen, die sich anhand ihrer oberirdischen Reaktion auf Dürre unterscheiden lassen, reagieren auch unter der Oberfläche äußerst verschieden auf Wasserstress«, erklärt Dippold. »Manche erhöhen ihren Feinwurzelanteil, andere bilden neue Wurzeln in der Tiefe und wieder andere erhöhen die Wurzelausscheidungen in den tiefen, noch feuchten Bodenhorizonten um von dort Wasser- und Nährstoffaufnahme sicherzustellen.« (u)