TÜBINGEN. Am Uniklinikum Tübingen startet in diesen Tagen die klinische Erprobung eines eigenentwickelten Impfstoffs gegen SARS-CoV-2, der speziell für Patientengruppen mit Antikörpermangel konzipiert ist. Der Impfstoff zielt auf die Stimulierung einer zellulären Immunantwort durch die sogenannten T-Zellen gegen das Coronavirus ab. Im Gegensatz zu anderen Impfstoffen aktiviert es dabei die T-Zellen nicht nur gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2, sondern auch gegen zahlreiche andere Virusbestandteile. Das wirkt der Entwicklung von Resistenzen durch Mutanten entgegen.
Die klinische Studie erfolgt basierend auf den Arbeiten und unter Leitung von Dr. Juliane Walz in der Klinischen Kooperationseinheit (KKE) Translationale Immunologie der Medizinischen Klinik. Das für die Zulassung von klinischen Studien zuständige Paul-Ehrlich-Institut gab vor Kurzem grünes Licht für den Impfstudienstart, die Zustimmung der Ethikkommission liegt bereits vor.
Zahlreiche Untersuchungen haben in den letzten Monaten gezeigt, dass Patienten mit Immunschwäche – hierzu gehören sowohl Personen mit angeborenem Immun-Defekt als auch Krebserkrankte – ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf haben. Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass diese Patientengruppe mit den bisher zugelassenen Impfstoffen oft keinen ausreichenden Impfschutz aufbaut.
Ziel der Studie ist daher, in dieser Patientengruppe, die zumeist keine oder nur unzureichend Antikörper nach Infektion oder Impfung entwickelt, eine starke T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen SARS-CoV-2 zu erzeugen und so vor Covid-19 zu schützen. Die Studie startet in Tübingen, wird jedoch auf die Uniklinika Berlin und Frankfurt ausgeweitet.
Die Idee für den neu entwickelten Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologen. Seit vielen Jahren arbeitet das Team um Professor Hans-Georg Rammensee an der Entwicklung sogenannter therapeutischer Peptid-Impfungen für Krebspatienten. »Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf virusbefallenen Zellen dem Immunsystem – und hier speziell den T-Zellen – präsentiert werden«, erklärt Rammensee die biologischen Prozesse. »Dies ermöglicht dem Immunsystem, fremde Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren.«
Werden solche Peptide zusammen mit einem Immunstimulator geimpft, können T-Zellen gezielt gegen Tumorzellen, aber auch gegen virusbefallene Zellen aktiviert werden. Auch das für die Impfstudie verwendete Adjuvanz XS15 wurde in Tübingen von Forschern um Hans-Georg Rammensee mit der Tübinger Firma EMC Microcollections GmbH entwickelt – ursprünglich für Impfungen gegen Krebs.
Dass die T-Zellen in gesunden Spendern und in Krebspatienten eine bedeutende Rolle bei der Covid-19-Erkrankung spielen, hat die Arbeitsgruppe von Juliane Walz belegt. Im Rahmen ihrer Forschung wurden im Blut von Probanden nach überstandener Covid-19-Erkrankung Peptide identifiziert, die für eine Erkennung und einen Langzeitschutz speziell gegen das SARS-CoV-2-Virus von Bedeutung sind. Diese Peptide werden nun im CoVaC-1-Impfstoff eingesetzt. (ukt)
CORONA-IMPFSTOFF-STUDIE FÜR KREBSPATIENTEN
Tübinger Uniklinikum sucht noch Probanden
An der Studie, die von Bund und Land gefördert wird, können Patienten mit angeborenem oder erworbenem B-Zell-Defekt oder Antikörpermangel teilnehmen – insbesondere Patienten mit Leukämie- oder Lymphomerkrankungen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder einer Therapie einen Immunglobulinmangel entwickelt haben.
Die Studie beinhaltet ein Screening, einen Impftermin und sechs Kontrolltermine innerhalb von sechs Monaten. Interessierte können sich bei der KKE Translationale Immunologie der Uniklinik melden. Weitere Infos zur Teilnahme gibt es auf der Homepage. (ukt)
covid.kke@med.uni-tuebingen.de medizin.uni-tuebingen.de/go/covac-1-studie