TÜBINGEN. Eine Mitarbeiterin der Stadt Tübingen klagt vor dem Arbeitsgericht Reutlingen gegen ihren Arbeitgeber, weil sie einen Posten im Vorzimmer von Oberbürgermeister Boris Palmer nicht bekommen hat. Nach Auskunft einer Gerichtssprecherin vom Freitag geht es um Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Höhe nannte sie nicht. Der Gütetermin ist nach Angaben des Gerichts für den 20. Oktober anberaumt - drei Tage vor der Oberbürgermeisterwahl in der Stadt.
Die Klägerin, derzeit in Elternzeit, gibt laut »Stuttgarter Zeitung« und »Stuttgarter Nachrichten« an, für den Posten nicht berücksichtigt worden zu sein, weil sie im Bewerbungsgespräch eine frühere Liebesbeziehung mit Palmer offengelegt habe.
Stadtverwaltung widerspricht
Die Stadtverwaltung widerspricht dieser Darstellung. »Dass die Klägerin im Bewerbungsverfahren für das Vorzimmer des Oberbürgermeisters nicht berücksichtigt worden sei, weil sie eine frühere private Beziehung zu Boris Palmer offengelegt habe, ist falsch«, hieß es in einer Mitteilung. Palmer bestätigte die Darstellung der Stadtverwaltung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Palmer sei selbst nicht in das Bewerbungsverfahren involviert gewesen, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die Universitätsstadt Tübingen werde vor dem Arbeitsgericht beantragen, die Klage in allen Punkten abzuweisen.
Die Mitarbeiterin sei im Vorstellungsgespräch gescheitert, weil sie die Stelle nicht im ausgeschriebenen Stellenumfang in Vollzeit habe antreten wollen, erklärte die Stadtverwaltung. Zudem habe die Bewerberin in dem Verfahren angegeben, dass es ihr um eine Höhergruppierung ging. Dafür habe es aber keine Grundlage gegeben. Das Bewerbungsverfahren sei ordnungsgemäß abgelaufen.
Palmer wollte Anschein der Befangenheit vermeiden
Die Beurteilung zum Punkt »Verschwiegenheit, Loyalität« enthielt laut Stadt zudem Angaben zum Privatleben der Bewerberin, nach denen sie in einer Beziehung lebt, die zu schwerwiegenden Interessenkonflikten zwischen ihrer Stelle und ihrer privaten Lebenssituation führen könnte. »Aufgrund der besonderen Vertrauensstellung im Vorzimmer des Oberbürgermeisters und des gemeinsamen Sekretariats mit Bürgermeisterin Daniela Harsch sind solche Interessenkonflikte grundsätzlich zu vermeiden«, betonte die Stadt. Dies sei jedoch nicht maßgebend für die Ablehnung gewesen.
Palmer hatte laut der Stadtsprecherin die Prüfung des Bewerbungsverfahrens an Bürgermeister Cord Soehlke und Bürgermeisterin Daniela Harsch übertragen, »um jeden Anschein der behaupteten Befangenheit aus privaten Gründen zu vermeiden«. »Wir sind zur sicheren Überzeugung gekommen, dass die Vorwürfe haltlos sind und haben daher gemeinsam entschieden, die Beschwerde abzulehnen. Überrascht hat uns der Zeitpunkt der Klage: rund ein Jahr nach dem Bewerbungsverfahren.«
Palmers Mitgliedschaft bei den Grünen ruht bis Ende 2023 wegen eines Streits um Tabubrüche und Rassismusvorwürfe. Bei der Wahl tritt er deshalb nicht für die Grünen, sondern als unabhängiger Kandidat an. (dpa)