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Tübinger päppelt Fledermäuse auf

Im Schönbuch leben 17 verschiedene Fledermaus-Arten. Der ehemalige Biologieprofessor Ewald Müller päppelt verletzte Tiere auf

Diese kleine Fledermaus wird wieder aufgepäppelt.  FOTOS: STRAUB
Diese kleine Fledermaus wird wieder aufgepäppelt. FOTOS: STRAUB
Diese kleine Fledermaus wird wieder aufgepäppelt. FOTOS: STRAUB

KREIS TÜBINGEN. Sie stehen als fliegende Virenschleudern in Verruf: Fledermäuse. Die fliegenden Säuger tragen Viren in sich und gelten als möglicher Ursprung von Corona. Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Ewald Müller mit den Tieren und setzt sich für deren Schutz ein. Der frühere Tübinger Biologieprofessor zitiert Studien, wonach Fledermäuse zu den harmloseren Krankheitsüberträgern zählen. »In China gelten sie als Glücksbringer«, sagt Müller. Das chinesische Wort »Fu« bedeutet »Fledermaus« ebenso wie »Glück«.

Artenvielfalt im Schönbuch

Zusammen mit anderen Freiwilligen päppelte Müller verletzte Tiere auf und zeigt sie Interessierten, wie jüngst beispielsweise in der Entringer Michaelskirche. Dort ziehen im Dachraum 400 Weibchen der Art »Großes Mausohr« ihren Nachwuchs auf. Sie zählt zu den größten im Schönbuch lebenden Arten, füllt aber dennoch nicht einmal eine Hand. Müller zeigt den nachgebildeten Abdruck eines 48 Millionen Jahre alten Skeletts und erklärt: »Am grundsätzlichen Körperbau des Tieres hat sich nichts geändert.« Müller räumt mit falschen Vorstellungen auf, etwa damit, dass die Tiere für Vögel oder sogar für fliegende Mäuse gehalten werden.

»Fledermäuse sind die einzigen aktiv fliegenden Säugetiere«, sagt der Biologe. Da sie sich im Dunkel orientieren können, wurden sie früher für Dämonen gehalten. Und anders als der im Mittelalter verbreitete Glaube fressen sie keinen Speck, sondern Insekten. Als Tiergruppe haben sie sich wohl bereits vor 75 Millionen Jahren etabliert. Das älteste Skelett wurde in Wyoming in den USA gefunden und auf 52 Millionen Jahre datiert. In Deutschland wurden die meisten Funde alter Skelette (48 bis 50 Millionen Jahre alt) in der Grube Messel bei Darmstadt gemacht.

Lange sei man in der Wissenschaft davon ausgegangen, dass die nächsten Verwandten die Pelzflatterer sind, die es im asiatischen Raum noch gibt und Verwandtschaft mit Affen und damit mit Menschen besteht. Neuere Forschungen hingegen haben ergeben, dass Fledermäuse erstaunlicherweise mit Paar- und Unpaarhufern und Walen und Delfinen verwandt sind. Weltweit sind 1.100 Arten von Fledertieren in 19 Familien bekannt. In Baden-Württemberg sind 21 Arten in zwei Familien heimisch. »Sie haben unterschiedliche Ansprüche an ihre Lebensräume«, erklärt Müller. Er engagiert sich seit Jahrzehnten auch im Fledermaus-Schutz.

Pestizide reduzieren Tierbestand

Von 1955 bis in die 70er-Jahre sanken die Tierbestände durch den Einsatz von Pestiziden dramatisch. Seither gibt es wieder leichte Aufwärtstendenzen und die Bestände haben sich zumindest stabilisiert. »Täglich verschwindet durch Überbauung in Deutschland dennoch etwa 90 Hektar Ernährungsraum für die Fledermäuse, aber auch für viele andere Tiere«, so Müller.

Ein leistungsfähiges Herz

»Fledermäuse können aktiv fliegen mit den Händen«, sagt Müller. Daraus leitet sich auch der wissenschaftliche Name »Handflügler« ab. »Die Fledermaus hat das leistungsfähigste Herz unter den Säugetieren.« Im Winterschlaf reduziert sie ihre Körpertemperatur auf 10 Grad Celsius und der Puls sinkt auf 20, um Energie zu sparen. Von den in Baden-Württemberg lebenden 21 Fledermausarten sind 17 auch im Schönbuch zu finden. (GEA)