TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat scharfe Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung geübt. Es sei »in jedem Dorf und an jedem Bahnhof sichtbar, dass wir in großer Zahl Menschen bei uns aufnehmen, die keinen Beitrag zu unserer Wirtschaft leisten und keinen Asylanspruch haben«, schrieb der ehemalige Grünen-Politiker in einem Gastbeitrag für die »Welt«. Diesen Menschen in einem rechtsstaatlichen Verfahren an den Außengrenzen aufzuzeigen, dass sie nicht nach Europa einwandern dürfen, sei »gerecht und notwendig«.
Palmer stellte sich hinter den umstrittenen Asyl-Vorstoß des CDU-Politikers Thorsten Frei. Bei »migrationsskeptischen Bürgern« würde das viel größere Akzeptanz finden als das heutige System, »das bei immer mehr Menschen den Eindruck erweckt, als stünde der Staat hilflos einer immer größer werdenden Zahl von Armutsflüchtlingen gegenüber, die sich den Zutritt zum eigenen Dorf, zur eigenen Nachbarschaft, erzwingen können«, schrieb der Tübinger Oberbürgermeister.
Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, hatte eine Veränderung der Systematik in der Asylpolitik vorgeschlagen. In einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« plädierte er dafür, das Recht des einzelnen Menschen abzuschaffen, auf deutschem Boden Asyl zu beantragen. Es solle ersetzt werden durch Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa. Diese 300 000 bis 400 000 Flüchtlinge pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden.
Der Vorstoß war von den Ampel-Parteien scharf kritisiert worden. Die Bundesregierung machte deutlich, vom individuellen Anspruch auf Asyl nicht abrücken zu wollen.
Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in Tübingen. Mit Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachten aber auch sein Management während der Corona-Pandemie sowie seine kommunale Umweltpolitik.
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