TÜBINGEN. Wer das Ackel Mode-Outlet in der Schaffhausenstraße 113 in Tübingen betritt, steht erst mal in einer Galerie mit Fotos und Plakaten. Sean Connery schaut als James Bond nachdenklich in die Ferne. Von der Wand gegenüber grüßen Tennis-Stars wie Boris Becker und Jimmy Connors, Fußballer wie der Torjäger Marco van Basten und Formel 1-Rennfahrer wie Ayrton Senna und Alain Prost. Etwas weiter wirbt die Fluglinie Pan Am für das »stilvolle Welt-Reise-Hemd von Ackel – eine runde Sache, die sitzt«. Auch Porsche und das Racing-Team von Max Moritz sind da vertreten.
Andreas Ackel kennt alle Geschichten dazu und ist gerne bereit zu erzählen. Vom Anhänger mit dem eigenen Fingerabdruck, den es zu den James-Bond-Hemden gratis dazugab. Von der Werbe-Partnerschaft mit der Tabakmarke Gauloises, wo man gemeinsam lässige Eleganz für Individualisten propagierte. Oder der Gemeinsamkeit mit Boss. Jochen und Uwe Holy starteten ihre Weltkarriere nämlich Anfang der 70er-Jahre mit der Präsentation der ersten Anzüge- und Hosen-Kollektion auf einem Stand von Ackel auf der Messe in Köln.
Die außergewöhnliche Geschichte des Hemden-Machers Ackel hat 1949 begonnen. In einem ehemaligen Pferdestall in Pfalzgrafenweiler. Mit 150 D-Mark Startkapital. Mit einer geliehenen Nähmaschine. Mit Schürzen und Pyjamas. Jagdflieger Viktor Ackel hatte in den letzten Kriegstagen beide Hände verloren, aber nicht seinen unbändigen Behauptungswillen.
»Wir waren immer eine sehr sportliche Familie«
Die Pyjama-Oberteile müssen so gut gefertigt gewesen sein, dass man in die Hemden-Produktion einstieg. »Das beschwingte Sommerhemd mit Halbarm, eine Wohltat für sonnige Tage« und weitere »Herrenhemden mit Chic« der Gründerjahre wurden in der Reklame als »Ackel Wertarbeit« angepriesen. Bald folgte der Umzug nach Tübingen, erst in die Schaffhausenstraße 1, 1960 wurde die Fabrikhalle in der Schaffhausenstraße 113 gebaut. Der Unternehmer war auch hier Pionier und sorgte für den Start im Gewerbegebiet neben der Bahnlinie. »Da gab’s noch nichts – das war alles Feldweg hier raus«, sagt Andreas Ackel. Später wurde die Fabrik durch eine Stahlkonstruktion überbaut. Sein Vater hatte diese Bauweise in den USA gesehen und übernahm sie.
Die Firma pflegte ihr Image und fand Kooperationspartner außerhalb der Branche. 1977 wurde Ackel der »Textil-Trommler« verliehen – damals so etwas wie der »Oscar« in diesem Wirtschaftszweig. Die Rede bei der Preis-Verleihung hielt der Journalist und Sachbuch-Autor Peter Scholl-Latour.
Der Bekanntheitsgrad stieg. 1965 hatte man die James-Bond-Serie gestartet, zum Kinostart von »Feuerball« kam das passende Hemd auf den Markt. Andere Kooperationen folgten. Stolz ist Andreas Ackel auch auf die Partnerschaft mit Porsche. Vom Modell »959« wurden nur 200 Autos gefertigt. Ackel findet es bemerkenswert, dass das kleine schwäbische Unternehmen aus Tübingen einen davon bekam – es nutzte ihn natürlich gleich für eine Kampagne.
»Zwei Jahre lang war der ›959‹ unterwegs, jeden Tag woanders.« Zu den Modeschauen bei Einzelhändlern wurde das exklusive Auto präsentiert. Die Marketing-Abteilung des Autobauers sprach anerkennend von einer »Porsche-Ackel-Partnerschaftsstory«. Als es Zeit war für den großen Check, holte Porsche den »959« zurück ins Werk und erneuerte viele Teile. Ackel (»ich bin ein Autoverrückter seit eh und je«) wundert sich heute noch, wie zuvorkommend und gründlich sich die Weltfirma gezeigt hat.
Die kleine Tübinger Firma war bestens etabliert. »Ackel war die Nummer eins«, sagt der Firmenchef, »nicht nach Größe, aber in puncto Kreativität.« Dabei waren die Stückzahlen gar nicht gering. Auf einer Messe in den 70ern habe man 100.000 Hemden verkauft. Heute völlig undenkbar: Auf der Messe schaut sich das Branchen-Personal nur um, danach werden die Vertreter losgeschickt und die Geschäfte getätigt.
Das sportliche Image war kein Zufall. »Wir waren immer eine sehr sportliche Familie«, sagt Andreas Ackel. Er selber hatte Bankkaufmann gelernt, war aber Anfang der 80er jüngster staatlich geprüfter Skilehrer Deutschlands. Schwester Claudia Ackel-Widmaier feierte Erfolge als Eiskunstläuferin.
So passte auch die Partnerschaft mit Diadora zu den Neigungen der Tübinger. Ackel wurde 1988 General-Importeur der Schuhmarke und blieb dies bis 1992. Boris Becker trug bei seinem dritten Wimbledon-Sieg Schuhe, die ihm die Tübinger zur Verfügung gestellt hatten. Das Schuh-Lager befand sich in Kirchentellinsfurt im Schirm-Areal. Ähnlich lief es mit Estusa. Jimmy Connors, lange Nummer eins der Weltrangliste, spielte ebenso mit einem Schläger dieser Marke wie Becker. Ackel hatte sich auch hier den Status als General-Importeur gesichert.
»Frauen mögen es bunter. Sie kennen sich auch besser aus«
Auch an die Kooperation mit dem Max Moritz Racing Team in den 90ern erinnert sich Ackel gerne. »Wir sind an der Spitze mitgefahren«, sagt der Unternehmer und wirkt dabei, als würde er am liebsten gleich wieder eine Renn-Serie starten.
Über Verkauf und Werbung hinaus starteten die Tübinger bemerkenswerte Aktionen. Nach den rechtsextremen Ausschreitungen von Hoyerswerda trat Ackel an den Fußballclub St. Pauli heran, den man ebenfalls mit Schuhen ausgestattet hatte und veranstaltete eine Gala. »Gegeneinander spielen – miteinander leben«, lautete der Slogan. »Ich hab vier Wochen nichts anderes gemacht als das zu organisieren«, erinnert sich Ackel heute.
Manches gilt heute noch fast genauso wie vor etlichen Jahren. 80 Prozent der Männer sind auf Blau und Weiß abonniert – »in allen Varianten, ob Uni, Karo oder Streifen«, sagt der Firmenchef. Frauen mögen es viel bunter. »Sie kennen sich auch besser aus.«
Doch sonst hat sich vieles gewandelt. In der Hochphase hatte Ackel 200 Mitarbeiter in Tübingen und 200 in Tunesien. Heute sind es noch zehn. Gefertigt wurden die Hemden zuletzt von einer kleinen Näherei in Polen mit 20 Beschäftigten.
Ackel wird 66, da ist es Zeit, Abschied zu nehmen. Zumal das Geschäft schwieriger geworden ist, wie ein Blick auf die Größen zeigt. »Breuninger war immer Vorreiter und Vordenker. Da haben alle hochgeschaut.« Auch andere in der Branche stellen fest, dass die Zeiten andere geworden sind. In wenigen Tagen startet in der Schaffhausenstraße der Räumungsverkauf. Eigentlich wollte Ackel zum 75-jährigen Bestehen der Firma ein Buch herausbringen. »Das machen wir trotzdem noch«, sagt er. Nun eben zu Jubiläum und Abschied. (GEA)