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Tübinger Forschungsteam entwickelt Strategie gegen Blutvergiftungen

Ein neue Therapieansatz gegen die lebensbedrohliche Blutvergiftung eines Forscherteams aus Tübingen kommt ohne den Einsatz von Antibiotika aus und setzt stattdessen auf die Anregung der körpereigenen Immunabwehr

Eine Intensivstation.
Eine Intensivstation. Foto: Sebastian Gollnow
Eine Intensivstation.
Foto: Sebastian Gollnow

TÜBINGEN. Manche Blutvergiftungen verlaufen mild, viele haben jedoch einen tödlichen Ausgang – die Gründe für diese Unterschiede sind trotz jahrzehntelanger Forschung im Dunklen geblieben. Forscher der Uni Tübingen haben nun eine mögliche Ursache entdeckt und auf dieser Grundlage eine neue experimentelle Strategie zur Bekämpfung der bakteriellen Sepsis entwickelt.

Der neue Therapieansatz gegen die lebensbedrohliche Blutvergiftung kommt ohne den Einsatz von Antibiotika aus und setzt stattdessen auf die Anregung der körpereigenen Immunabwehr durch Gabe des Wirkstoffs Acetat. An der Studie, die im Fachmagazin Communications Biology veröffentlicht wurde, waren Wissenschaftler des Exzellenzclusters »Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen« (CMFI), des Interfakultären Instituts für Mikrobiologie und Infektionsforschung an der Uni Tübingen (IMIT) sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) beteiligt.

Als Folge einer lokalen Infektion kann es zum Eindringen von Bakterien in die Blutbahn kommen, was zu einer lebensbedrohlichen Sepsis (umgangssprachlich Blutvergiftung) und einem septischen Schock mit Organversagen führen kann. Zu den häufigsten Verursachern einer solchen Sepsis gehören Methicillin-resistente Staphylococcus aureus Bakterien (MRSA), welche gegen viele der gängigen Antibiotika Resistenzen gebildet haben.

Acetat als Aktivator

Das Forschungsteam unter der Leitung von Andreas Peschel und Dorothee Kretschmer konnte nun zeigen, dass die körpereigene Immunabwehr gegenüber Staphylokokken durch Gabe des Essigsäuresalzes Natrium-Acetat gestärkt wird, sodass der Körper besser mit der schweren Infektion fertig werden kann. In Experimenten mit Mäusen, die über das Trinkwasser oder eine Injektion Acetat erhielten, wurde der Verlauf einer bakteriellen Sepsis deutlich verbessert.

Eine bakterielle Infektion wird von unserem Körper durch weiße Blutkörperchen bekämpft. Die häufigsten weißen Blutkörperchen im Blutkreislauf sind sogenannte neutrophile Granulozyten, die Krankheitserreger erkennen, aufnehmen und zerstören können. Neutrophile besitzen auf ihrer Oberfläche verschiedene Mustererkennungsmoleküle, Rezeptoren, an die bakterienspezifische Komponenten binden und so die Anwesenheit von Bakterien signalisieren. Eine solche Komponente ist Acetat, das von vielen Bakterien gebildet wird.

Acetat dient als Aktivator. Es weckt die die weißen Blutkörperchen sozusagen auf und versetzt sie in Alarmbereitschaft, berichtet Dorothee Kretschmer. In Experimenten belegte das Forschungsteam, dass eine Acetat-Injektion oder die Gabe von acetathaltigem Trinkwasser bei Mäusen zu einer verbesserten Immunantwort führt. »Bei einer anschließenden Sepsis durch Infektion mit Staphylokokken konnten die Bakterien schneller und effizienter abgetötet, und so ein tödlicher Verlauf verhindert werden«, sagt Kretschmer.

Verträglichkeit bewiesen

Das Forschungsteam hält es für denkbar, dass Acetat beim Menschen sowohl vorbeugend als auch zur Behandlung einer Sepsis zum Einsatz kommen könnte. Acetat fände bereits Anwendung im klinischen Bereich, zum Beispiel als Säure-Basen-Regulator in Infusionen, die bei Flüssigkeitsverlust gelegt werden. Die Verträglichkeit beim Menschen sei somit bereits erwiesen. (GEA)