TÜBINGEN. Sie wirken wie eine Mischung aus Pferd und Gorilla: Krallentiere (Chalicotheriidae) hatten einen massigen Körper und einen pferdeähnlichen Kopf. Ihre Arme waren viel länger als ihre Beine und mit Krallen ausgestattet. Sie gehörten zur Gruppe der Unpaarhufer und sind somit mit heutigen Nashörnern, Pferden und Tapiren verwandt. Vor etwa zwei Millionen Jahren starben sie endgültig aus.
Dass sie vor 11,5 Millionen Jahren auch im heutigen Süddeutschland lebten, zeigen Funde aus der Grabungsstätte Hammerschmiede im Allgäu. Ein Forscherteam aus Tübingen und Südafrika hat diese nun erstmals untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal veröffentlicht.
Knöchelgänger mit gewaltigen Krallen
Wie Panagiotis Kampouridis, Doktorand der Uni Tübingen und Erstautor der Studie, berichtet, konnten fossile Zähne und Fingerknochen der Gattung Anisodon geborgen werden. Diese außergewöhnlichen Pflanzenfresser lebten in waldreichen Gegenden und gelten als Knöchelgänger – wie heutige Menschenaffen. Ihre gewaltigen Krallen nutzten sie vermutlich, um Blätter und Äste von Bäumen zu holen, Rinde abzukratzen oder sogar kleinere Bäume auszureißen.
Zudem lebte in der Region vor 11,5 Millionen Jahren eine zweite Gruppe von Krallentieren, wie die Funde einer Kniescheibe und eines Schädelfragments zeigen: Bei den Schizotheriinen waren die Arme nur wenig länger als die Beine und sie waren als deutlich bessere Läufer im offenen Gelände unterwegs.
TONGRUBE HAMMERSCHMIEDE
Auch die Menschenaffen »Udo« und »Manni« wurden hier gefunden
Die Tongrube Hammerschmiede befindet sich in der Gemeinde Pforzen, wenige Kilometer von Kaufbeuren. Bei Grabungen kamen bisher 15.000 Fossilien zum Vorschein. Darunter befinden sich 115 Wirbeltierarten. Demnach ist es die reichhaltigste Fundstätte für das späte Miozän weltweit. Die beiden bekanntesten Funde stammen aus der menschlichen Ahnenreihe: zwei aufrecht gehende Menschenaffen. Erst präsentierte die Tübinger Professorin Madelaine Böhme »Danuvius guggenmosi« – genannt »Udo«, dann »Buronius manfredschmidi«, kurz »Manni«. (-jk)
Da beide Gruppen sich ähnlich ernährten, schlossen sie sich gegenseitig aus bestimmten ökologischen Nischen aus und lebten nur selten im selben Habitat. Sicher ist, dass beide in derselben Region lebten. Sie wurden allerdings aus verschiedenen Schichten geborgen, die vermutlich unterschiedliche Lebensräume repräsentieren. »Unsere Ergebnisse geben einen Einblick in das Verhältnis dieser zwei Gruppen untereinander«, sagt Kampouridis. »Zudem unterstützen die Funde die Hypothese, dass diese zwei Gruppen nur unter bestimmten ökologischen Bedingungen gleichzeitig im selben Ökosystem leben konnten.« (eg/GEA)