TÜBINGEN. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Erschöpfung: Selbst nach durchgestandener SARS-CoV-2-Infektion leiden einige Patienten noch Monate danach unter einer Vielzahl an Beschwerden. Diese Symptome beschreiben das sogenannte Post-COVID-Syndrom.
Um das Krankheitsbild zu erforschen, haben das Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung und das Institut für klinische Epidemiologie am Uniklinikum Tübingen nun gemeinsam eine Studie durchgeführt. Sie wurde vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert.
Im Rahmen der Studie führten die Forscher gemeinsam mit den Gesundheitsämtern der Landkreise Reutlingen, Tübingen und dem Enzkreis eine Befragung unter allen Erwachsenen mit positivem PCR-Test durch. Insgesamt 1.907 Personen haben sich an dieser Befragung beteiligt.
Studienergebnisse im Überblick
Das Team um Instituts- und Studienleiterin Prof. Dr. Stefanie Joos fand heraus, dass 46 Prozent der ambulant behandelten Patientinnen und Patienten auch 12 Wochen nach der Infektion weiterhin unter Beschwerden leiden. Wesentlich häufiger, mit 73 Prozent, berichteten Patienten und Patientinnen, die während der akuten Erkrankungsphase ihrer Infektion schwer krank und im Krankenhaus behandelt werden mussten, über Langzeitsymptome.
Als häufigste Symptome beider Gruppen identifizierte die Forschergruppe Müdigkeit, körperliche Erschöpfung, Konzentrationsstörungen sowie Geschmacks- und Geruchsverlust. Das Risiko, nach einer Infektion Post-COVID zu entwickeln, war bei Frauen 1,8-fach erhöht. Ebenso zeigte sich das Gesamtmaß an Begleiterkrankungen als weiteren Risikofaktor: je mehr Vorerkrankungen, unter denen Betroffene bereits vor ihrer Infektion litten, desto häufiger traten Post-COVID-Beschwerden auf. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Post-COVID-Betroffenen war im Vergleich zu Patientinnen und Patienten ohne Langzeitsymptome deutlich reduziert.
Gravierende Symptome
»Dass es nach manchen Virusinfektionen zu anhaltenden Beschwerden kommen kann, ist nicht neu«, so Studienkoordinator Dr. med. Christian Förster. »Trotzdem hat es uns überrascht, dass so viele Betroffene nach dieser Zeit über so gravierende Symptome berichteten.« Bekannt ist jedoch aus anderen Studien, dass Betroffene mit Symptomen sich eher an Befragungsstudien beteiligen als beschwerdefreie Betroffene.
Aus diesem Grund, so vermutet das Forscherteam, dürfte die tatsächliche Zahl an Betroffenen geringer sein. Weiter muss berücksichtigt werden, dass kein Vergleich mit einer SARS-CoV-2-negativen Kontrollgruppe durchgeführt werden konnte. Ob die berichteten Beschwerden tatsächlich alle auf COVID-19 zurückzuführen sind, muss daher in weiteren Studien geprüft werden.
Die Forschungsgruppe um Prof. Joos hofft, mit dieser Arbeit einen Beitrag zum Verständnis der Erkrankung leisten zu können. So könnten die Erkenntnisse dazu beitragen, Risikopatienten zu identifizieren und diese gezielt Ansprechpartnern zuzuführen. (GEA)