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Tübinger erforschen Pflanzenwachstum vor 50 Millionen Jahren

Der hat heute noch große Blätter: Lebkuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum) im Kloster Bebenhausen.  FOTO: ROTH-NEBELSICK
Der hat heute noch große Blätter: Lebkuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum) im Kloster Bebenhausen. FOTO: ROTH-NEBELSICK
Der hat heute noch große Blätter: Lebkuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum) im Kloster Bebenhausen. FOTO: ROTH-NEBELSICK

TÜBINGEN. In den heute nur spärlich bewachsenen Polargebieten der Arktis gab es im Eozän vor rund 50 Millionen Jahren ausgedehnte, üppige Laubwälder bei einer Kombination aus Treibhausklima und einem gegenüber heute fast doppelt so hohen Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre. Allerdings herrschten in diesen Regionen hoher Breitengrade – wie heute – extreme Lichtverhältnisse: monatelanges Dauerdunkel im Winter und eine, wenn auch tiefstehende, nie untergehende Sonne im Sommer.

Vergleichbare Umweltbedingungen sind in dieser Kombination heute auf der Erde nicht zu finden. In ihrer neuen Studie untersuchten Wilfried Konrad und Christopher Traiser aus den Geowissenschaften der Uni Tübingen gemeinsam mit Anita Roth-Nebelsick vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart die Lebensbedingungen der Pflanzen.

Unerwartete Produktivität

Sie wollten wissen, ob die Pflanzen ihren Lichtbedarf in dem extremen Wechsel der Tageslängen ausgleichen konnten und ob dabei die damals verbreitete Großblättrigkeit der Laubbäume eine Rolle spielte.

Im Sonnenlicht setzen Pflanzen Wasser und Kohlendioxid aus der Luft durch Fotosynthese in organische Stoffe um, erzeugen Biomasse wie etwa Äste und Blätter und können so wachsen. Um mehr über die Produktivität der arktischen Wälder im Eozän zu erfahren, nutzte das Forschungsteam in der aktuellen Studie Daten von zwei arktischen Fundstätten: Die Pflanzenfossilien stammten vom Stenkul Fjord auf der kanadischen Ellesmere-Insel und von der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Spitzbergen.

Odenwald als Vergleichsobjekt

»Zum Vergleich zogen wir den nordwestlichen Odenwald bei Darmstadt heran. Der liegt zwar nicht auf einem hohen, sondern mittleren Breitengrad, doch herrschen in dem heutigen dortigen Laubwald ähnliche klimatische Bedingungen wie auf Spitzbergen im Eozän«, erklärt Konrad.

In die Berechnungen zur Produktivität der früheren arktischen Wälder bezogen die Forscher zahlreiche Daten zur Quantifizierung der Verdunstung und der Fotosynthese ein. Sie untersuchten auch, welchen Einfluss die Blattgröße auf die Gas- und Stoffumsätze hatte. »Ob die Blätter der Bäume damals größer oder kleiner waren, spielte unseren Ergebnissen zufolge keine entscheidende Rolle«, sagt Konrad.

Lufttemperatur und Lichteinfall hätten dagegen einen unerwartet starken Einfluss gezeigt: Da die Ellesmere-Insel ein wenig weiter nördlich als Spitzbergen lag, gab es dort aufgrund himmelsmechanischer Eigenheiten der nördlichen Breiten sehr viel mehr Sonnenstunden während der jährlichen Vegetationsperiode. Zusammen mit der um wenige Grad höheren Temperatur auf Ellesmere habe dies zu einer wesentlich höheren Fotosyntheseleistung als auf Spitzbergen geführt.

"Insgesamt kamen wir auf eine überraschend hohe Produktivität der Wälder", sagt Konrad. "Wir gehen davon aus, dass die Klimabedingungen im Eozän die Fotosyntheseleistung der Bäume und dadurch eventuell auch die Produktivität an Biomasse verstärkten.

Legt man die aktuellen pflanzenphysiologischen Daten zum Fotosyntheseapparat zugrunde, so dürfte die Fotosyntheseleistung um mindestens 30 bis 60 Prozent höher gelegen haben als an einem heutigen Standort gemäßigter mittlerer Breiten." Hauptfaktor der Verstärkung sei der erhöhte Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre gewesen. "Eine Steigerung der Fotosyntheseleistung solcher Wälder könnten daher auch die aktuell steigenden Kohlendioxidwerte mit sich bringen. Da aber die Bodeneigenschaften und die Lichtverhältnisse einen großen Einfluss auf die pflanzliche Produktivität haben, kann man die Aussagen nicht verallgemeinern", sagt der Wissenschaftler.

Ökologische Zukunftsszenarien

Für die globale Klimaerwärmung seien auch keine vergleichbaren Habitate auf der Erde zu finden. »Die ökologischen Szenarien könnten sich in manchen Regionen sehr schnell ändern. Vorhersagen zur künftigen Entwicklung stellen eine große Herausforderung dar«, sagt er. »Doch gab es entsprechende Habitate in der Vergangenheit der Erde. Daher können Erkenntnisse zum Paläoklima zur Verbesserung der Modelle und ihrer Vorhersagen beitragen.« (pm)