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Tübinger erforschen, wieso es im naturnahen Wald früher blüht

Art der Waldnutzung beeinflusst Lebensrhythmus der Wildpflanzen. Forschungsteam der Uni Tübingen vergleicht Blütezeit der Frühjahrsblüher

Buschwindröschen gehören zu den Frühjahrsblühern im Buchenwald. FOTO: WILLEMS
Buschwindröschen gehören zu den Frühjahrsblühern im Buchenwald. FOTO: WILLEMS
Buschwindröschen gehören zu den Frühjahrsblühern im Buchenwald. FOTO: WILLEMS

TÜBINGEN. In intensiv forstwirtschaftlich genutzten Wäldern kommen die Frühjahrsblüher im Unterholz, wie Buschwindröschen, Bärlauch oder Waldveilchen, durchschnittlich zwei Wochen später zur Blüte als auf naturnahen Waldflächen. Das hat eine Studie der Uni Tübingen ergeben. Ein Forschungsteam aus der Arbeitsgruppe Evolutionäre Ökologie der Pflanzen hat in einer Vergleichsstudie hundert Waldflächen unterschiedlicher Nutzung untersucht.

Zum Gedeihen und Überleben müssen wichtige Ereignisse im Leben der Pflanzen auf günstige Umweltbedingungen abgestimmt sein. Dazu gehört vor allem die Fortpflanzung. »Für Blütenpflanzen gibt es kein wichtigeres Ereignis als die Blüte. Das Timing ist entscheidend«, erklärt Franziska Willems, Hauptautorin der Studie. Nur wenn die Blüten zum richtigen Zeitpunkt bestäubt werden, wachsen Früchte mit Samen heran, die neue Pflanzen hervorbringen können.

Die Frühjahrsblüher im Unterholz, zu denen auch Frühjahrsplatterbse, Scharbockskraut und Waldmeister gehören, dürfen ihre Blüten nicht zu früh im Jahr entfalten. »Sie laufen Gefahr, in Frost und Schnee Schaden zu nehmen. Oder ihre Bestäuber, vielfach Insekten, sind noch nicht unterwegs«, sagt Willems. »Sind sie aber zu spät dran, nimmt ihnen das Laub der Bäume das Licht.«

»Wir haben auf hundert Waldflächen ein Frühjahr lang wöchentlich den Entwicklungsstand der Wildblumen verfolgt«, erklärt Arbeitsgruppenleiter Professor Oliver Bossdorf. Das Spektrum reichte von ungenutzten Naturschutzgebieten bis hin zu intensiv forstwirtschaftlich genutzten Wäldern. »Dass Pflanzen in stark genutzten Wäldern durchschnittlich zwei Wochen später blühten als in naturnahen Gebieten, lässt sich größtenteils durch die unterschiedliche Struktur der Wälder erklären«, meint Bossdorf. Für die Holzproduktion würden häufig Baumarten angepflanzt, die dort von Natur aus nicht vorkommen, überwiegend Nadelbäume. »Solche Veränderungen beeinflussen das Mikroklima am Waldboden«, setzt Willems hinzu.

Der Anteil der Nadelbäume hat den größten Einfluss. Aber auch das Alter der Bäume, die Größe ihrer Kronen sowie die Komplexität der Wälder spielen eine wichtige Rolle. Nadelbäume erzeugen ein kühleres Waldklima als Laubbäume, wodurch die Pflanzen später blühten. Das Anpflanzen neuer Baumarten wie Fichten sowie die veränderte Struktur in bewirtschafteten Wäldern führt aber auch zu neuen Umweltbedingungen. So können sich die Lichtverfügbarkeit oder die Bodeneigenschaften ändern. (eb)