TÜBINGEN/BERLIN. In einer Art Brandbrief hat sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewandt. Darin warnt er vor einer Verödung der Innenstädte durch den anhaltenden Lockdown. Palmer schreibt über die Tübingen Altstadt, die »von einem lebendigen Mix aus Wohnen, Kultur, Gastronomie, Gewerbe und Handel« geprägt sei. Was bei einer Verlängerung des Lockdowns zu erwarten sei, könne jetzt unmittelbar gespürt werden, da die meisten Geschäfte geschlossen seien. Längere Schließungen seien ein Risiko. Der Online-Handel werde dramatisch gestärkt, Kunden würden nachher nicht wiederkommen, manche Geschäfte würden nicht mehr öffnen. Dass andere nachkommen würden, bezweifelt Palmer in seinem Brief.
Hinzu käme, dass die vom Bund versprochenen Hilfgelder bislang nicht angekommen seien. Er führt Beispiele aus Tübingen an und rechnet dem Wirtschaftsminister die Verluste der Betriebe vor, die bis in den zweistelligen Millionenbereich gingen.
Bereits am Sonntag hatte Palmer ein Ende der strikten Corona-Maßnahmen schon im Februar gefordert. Nach den Worten Palmers steigen die Schäden an der Wirtschaft und Gesellschaft exponentiell. »Der Innenstadthandel ist schon auf der Intensivstation, der fällt bald ins Koma. Die Insolvenzen werden anrollen. Ich meine, wir halten das nicht durch«, so der Grünen-Politiker. Es sei der falsche Weg, die Zahl der Neuinfektionen zuerst auf unter 50 pro 100 000 Einwohner binnen 7 Tagen zu drücken. Das sei im Winter nicht zu erreichen. Eine Verlängerung des harten Lockdowns bedeute »Schäden an Gesellschaft, Familien, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft wachsen auch exponentiell«, so Palmer.
Dafür war er auf Twitter auch scharf kritisiert worden. Daraufhin stellte Palmer noch einmal klar, er habe keinesfalls gefordert, den Lockdown einfach zu beenden. Der Spielraum für kontrollierte Öffnungen sei da. (GEA)