TÜBINGEN. Hoch droben im einsamen Garneratal steht die Schutzhütte des Tübinger Alpenvereins. Über hundert Jahre alt ist der Bau. Allein die Idee, dort eine Alpenvereinshütte zu bauen, sei wagemutig gewesen, sagt Hüttenreferent Roland Hunger. Jeder einzelne Balken musste vom Tal mühevoll nach oben geschafft werden. Hundert Jahre später ist das nicht anders. Allerdings stehen den Handwerkern nun andere Gerätschaften zur Verfügung. Der benötigte Beton beispielsweise wurde ebenso mit dem Helikopter eingeflogen wie die 1,5 Tonnen schwere Abwasserreinigungsanlage. Ein Schreitbagger kam zu Einsatz. Diese Baumaschine kann sich selbstständig fortbewegen. Sechs Stunden benötigte sie für den Aufstieg von 220 Höhenmetern.
Sieben Jahre lang baut die Sektion schon an der Hütte. Die lange Dauer liegt in erster Linie an den kleinen Zeitfenstern, die zur Verfügung standen. Die Hüttensaison von Anfang Juli bis Ende September durfte nie ausfallen. In dieser Zeit konnte also nicht gebaut werden. Davor und danach rückten die Handwerker an. Allerdings nur, wenn es die Wetterlage zuließ. Bis Juni kann dort oben Schnee liegen.
Der erste große Umbau begann 2017. Die Personalzimmer waren von Mäusen befallen, in der gesamten Hütte war es klamm und modrig, die Laufwege für Gäste und Personal zu umständlich. Diese Probleme sind nun gelöst. Der Hütteneingang wurde verlegt, die Personalzimmer saniert. Die Wasserkraftanlage läuft nun die ganze Zeit durch. Ungenutzte Energie wird in Warmwasser gespeichert und zur Belüftung der Hütte eingesetzt. Die Küche bekam neue Geräte, eine neue Schankanlage wurde installiert.
Drei Jahre lang wurde am ersten Abschnitt gebaut. Anschließend folgte der nächste Schritt: die Abwasserreinigung. Seit 2021 verfügt die Tübinger Hütte nun über eine biologische Kläranlage. Feststoffe werden über den Sommer gesammelt, im Winter getrocknet und im Frühjahr im Tal entsorgt. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Zuvor wurde, wie in vielen Schutzhütten üblich, im Herbst der Inhalt der Klärgrube den Hang herunter geleert. Allein dieser Schritt kostete 150.000 Euro. 80 Prozent der Kosten wurde vom Bundesland Vorarlberg übernommen.
2023/2024 folgte die Sanierung des Winterraums. Einige Balken waren komplett weggefault. Der gesamte Fußboden wurde komplett rausgerissen und wieder neu aufgebaut. Die Zimmermänner, die damit beschäftigt waren, verfeuerten das alte Holz abends am Lagerfeuer neben der Hütte.
Diesen Sommer stand die letzte große Aktion auf dem Programm: Der alte Kachelofen heizte schon lange nicht mehr gut. Er wurde durch einen neuen ersetzt. »Jetzt ist die Hütte weitgehend fertig«, sagt Hunger. Knapp eine Million Euro hat das Ganze gekostet. Kann 50 Prozent der Kosten wurden vom DAV-Hauptverein und dem Land Vorarlberg übernommen. Die Sektion feierte die Fertigstellung mit einem ausgiebigen Fest vergangenes Wochenende. Dafür hochgestiegen war auch Tübingens Bürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel. Bei optimalem Wetter gab es, neben den offiziellen Reden, Hausmusik auf der Terrasse, Morgen-Yoga, Sonnenaufgangswanderung, eine Messe und zum Abschluss Jazz auf der Hütte.
Schlafplätze für insgesamt 80 Menschen gibt es in der Tübinger Hütte, 30 davon sind im Lager, 50 in Mehrbettzimmern. Auf ein- oder Zweibettzimmer wurde dabei bewusst verzichtet. »Wir wollen den Schutzhütten-Charakter erhalten«, sagt Hunger. Der einzigartige Platz im Montafon soll auch weiterhin ein Ort der Ruhe sein, fügt Matthias Lustig, Geschäftsführer der Sektion, hinzu. Deshalb gibt es dort oben in den Bergen auch kein Wlan. Nach dem ersten Schock genießen das die Gäste, erzählen die zwei Alpenvereinler. An Besucher mangelt es jedenfalls nicht. Die Hütte ist gut gebucht. Selten waren weniger als 60 Gäste oben, so Lustig. Den Hüttenwirt Tim Härter freut das. Der gebürtige Rottenburger bewirtschaftet die Hütte im dritten Jahr. Sein Essen wird gerühmt in Wandererkreisen. Fünf bis sechs Monate im Jahr soll er gut von seinem Job oben in den Bergen leben können, sagt Hunger. Die zweite Hälfte im Jahr benötigen Hüttenwirte einen zweiten Job im Tal. (GEA)




