TÜBINGEN. Die Unistadt will klimaneutral werden. Bis 2030 sollen netto keine energiebedingten CO2-Emissionen mehr verursacht werden. Das Ziel will man mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen erreichen – und die Bürger-App wieder einsetzen.
Städte wie Düsseldorf und Bonn haben vor wenigen Tagen den Klimanotstand ausgerufen. Tübingen will diesem Beispiel nicht folgen. Solch ein Schritt bringe zwar viel Aufmerksamkeit, münde aber meist in »folgenlosen Alarmismus«, hat die Stadtverwaltung festgestellt. Außerdem sei Tübingen anderen voraus und habe die meisten Ziele schon erreicht, die anderswo erst in Angriff genommen werden sollen – etwa die Zertifizierung beim European Energy Award. Tübingen hat den EEA Gold-Status, insgesamt haben das elf Städte in Baden-Württemberg geschafft.
Bisher galt in Tübingen: minus 40 Prozent bis 2022 beim CO2. Das reicht aber nicht mehr aus, heißt es im Rathaus. Ob und wie man die neue Marke »klimaneutral bis 2030« erreichen will, muss der Gemeinderat entscheiden. Die Offensive zum Klimaschutz ist der erste inhaltliche Tagespunkt bei der Sitzung des neu gewählten Gremiums am Montag, 8. Juli und steht damit ganz am Anfang der neuen Amtsperiode. AL/Grüne wollen dabei auch die Beschlüsse des Klima-Gipfels in Paris als verbindlichen Rahmen für die Unistadt deklarieren.
Im Jahr sechs Tonnen pro Bürger
Die Stadtverwaltung schlägt vor, das bisherige Leitbild weiterzuentwickeln und die Bürger mittels App zu befragen. Tübingen hat als erste Stadt in Deutschland eine App eingesetzt, um bei konkreten Projekten die Meinung der Bürger zu erfahren. Anfang dieses Jahres ging es darum, ob Konzertsaal und Hallenbad-Neubau gewünscht sind.
OB Boris Palmer feierte den Testlauf mit der App damals sofort als »Erfolg für die digitale Demokratie«. Andere waren weniger begeistert. Nach der Bewertung der Erfahrungen im Gemeinderat war Palmer ziemlich zerknirscht. Anschließend kam auch noch heraus, dass einige Daten falsch zugeordnet wurden und die Beteiligung der jüngeren Altersgruppen längst nicht so hoch war, wie zunächst hinausposaunt.
Dem Zeitplan der Verwaltung zufolge soll der Beschluss über das neue Klimaprogramm vor der Sommerpause 2020 getroffen werden. Für die Planung und Umsetzung brauche man eine weitere Stelle, lässt die Verwaltung die Gemeinderäte wissen. Das koste 70 000 Euro pro Jahr. »Für eine Abstimmung auf der Bürger-App müssen rund 15 000 Euro angesetzt werden«, steht in der entsprechenden Vorlage – schließlich brauche man eine Broschüre, um die Teilnehmer über die Fakten und Vorhaben zu informieren.
Derzeit verursacht jeder Tübinger nach Berechnungen der Fachleute im Rathaus pro Jahr sechs Tonnen CO2 bei der Energie-Gewinnung. Beim Strom komme man mithilfe der Stadtwerke bis 2030 ziemlich sicher auf null. Schwieriger werde es bei Heizung und Transport. Aber auch hier könne man sich etwas einfallen lassen. (-jk)