Logo
Aktuell Gespräch

Tübinger Chefarzt kritisiert Umgang mit Menschen in Pflegeheimen

Ärzte müssen kein Schmerzensgeld zahlen, wenn sie den Tod eines Patienten hinauszögern und so dessen Leiden verlängern, lautet ein BGH-Urteil. Doch wer entscheidet eigentlich über die letzte Phase des Lebens? Dr. Johannes-Martin Hahn, Chefarzt am Paul-Lechler-Krankenhaus, berichtet aus der Praxis.

TÜBINGEN. Bei alten Menschen, die im Pflegeheim liegen, unternehmen die Ärzte zu wenig, um den Willen des Patienten herauszufinden, kritisiert Johannes-Martin Hahn, Chefarzt am Paul-Lechler Krankenhaus in Tübingen. »Pflegeheimbewohner sind ärztlich oft benachteiligt«, sagt der dem Reutlinger General-Anzeiger.

Wenn die Pumpen zur  künstlichen Ernährung  laufe,  seien oft alle zufrieden. Die Pflege habe wenig Aufwand, weil sie nicht füttern muss. Der Arzt komme alle zwei Wochen zum Routinebesuch, unterschreibe das Rezept, und so laufe es dann weiter über Jahre. »Das ist unethisch«, kritisiert der Mediziner.

Wenn der Arzt das Rezept für die künstliche Ernährung ausfülle und diese damit anordne, müsse er unter ärztlich-ethischen Aspekten abwägen zwischen Nutzen und Nebenwirkungen, also Risiko. Bei einem Demenzkranken müsse man sich fragen: Entspricht das auch dem mutmaßlichen Willen des Patienten. »Da kann man sich nicht dahinter verstecken, dass er keine Patientenverfügung hatte,« sagt Hahn.

Notfalls könne man den Sohn oder andere Vertraute befragen, um den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ergründen. »Wenn es dann einen entsprechenden Konsens gibt, kann, ja muss man die künstliche  Ernährung beenden. Notfalls ist in so einem Fall das Betreuungsgericht gefragt. Es ist nicht so, dass die Gerichte immer nur zugunsten der  Lebensverlängerung entscheiden.«  

Das Tübinger Paul-Lechler-Krankenhaus – auch als Tropenklinik bekannt – hat sich unter anderem auf Alters- und Palliativmedizin spezialisiert. Circa 2 700 Patienten werden hier pro Jahr versorgt, rund 500 schwer kranke  Menschen werden jährlich in der Palliativstation aufgenommen. Entsprechend häufig stellt sich die Frage, wie die medizinische Versorgung am Lebensende aussehen soll. (GEA)

Das komplette Interview lesen Sie am Samstag bei GEA+, im E-Paper und in der gedruckten Ausgabe des Reutlinger General-Anzeigers.