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Regierungspräsidium überprüft Tübinger Jugendamt

Ein Junge umarmt eine Frau
Manchmal muss das Jugendamt in Familien eingreifen. Foto: Stoatphoto/Adobe Stock
Manchmal muss das Jugendamt in Familien eingreifen.
Foto: Stoatphoto/Adobe Stock

TÜBINGEN. Die Diskussionen über das Verhalten des Tübinger Jugendamts vor dem Hintergrund eines Prozesses wegen sexuellen Missbrauchs in einer Pflegefamilie im Steinlachtal ziehen weitere Kreise. Wie Dirk Abel, Pressesprecher des Tübinger Regierungspräsidiums (RP), auf Anfrage bestätigte, wird die Behörde das Verhalten des Jugendamts unter die Lupe nehmen.

»Wir haben vom Sozialministerium den Auftrag erhalten, das Vorgehen des Jugendamts zu überprüfen. Schließlich hat das Regierungspräsidium die Rechtsaufsicht über das Landratsamt«, erklärt Abel. Anfang März soll der Bericht an das Sozialministerium fertig sein. Hintergrund ist ein Prozess vor dem Tübinger Landgericht. Angeklagt ist ein 65-jähriger Mann aus dem Steinlachtal, der zwei Mädchen, die der Familie als Pflegekinder anvertraut waren, mehrfach sexuell missbraucht haben soll.

Nach mehreren Verhandlungstagen gibt es mittlerweile auch Vorwürfe an die Pflegemutter, die davon gewusst haben soll. Mehrfach hatten die leiblichen Eltern versucht, ihre Kinder zurückzuholen. Das hatte das Jugendamt abgelehnt, weil diese nicht immer zuverlässig waren. Dagegen war das Jugendamt überzeugt, dass die Mädchen in der Pflegefamilie gut aufgehoben sind.

Im Verlauf des Prozesses hatte die Kinder- und Jugendpsychologin Heidrun Overbeck, bei der eines der Mädchen in Therapie war, schwere Vorwürfe gegenüber dem Jugendamt erhoben. Sie habe immer wieder darauf gedrängt, das Mädchen aus der Familie zu nehmen, erklärte sie in der Verhandlung, aber das Jugendamt habe nicht reagiert. Erst als im Februar 2017 eines der Mädchen selbst beim Jugendamt vorstellig wurde und von den sexuellen Übergriffen berichtet hatte, hatte das Amt reagiert und das Mädchen in Obhut genommen.

Allerdings schaltete das Jugendamt die Polizei erst Wochen später ein. Man habe den Vorwürfen erst selbst auf den Grund gehen wollen, erklärte Amtsleiter Bernd Hillebrand als Zeuge in der Verhandlung. Ein großer Fehler, hielt ihm Oberstaatsanwältin Rotraud Hölscher vor. Dadurch hätten die Eltern Zeit gehabt, Beweismittel zu vernichten. »Da stehen einem Ermittler sämtliche Haare zu Berge«, hielt sie Hillebrand vor. Und: Dieses Vorgehen grenze schon an Strafvereitelung.

Allerdings: Die Kinder hatten sich in der Familie stabilisiert und sich auch in der Schule gut entwickelt. Als es zu einem Verfahren kam, weil eine leibliche Mutter ihr Kind wieder zu sich zurückholen wollte, folgte das Gericht dem Gutachten des Kinder- und Jugendpsychiaters Gunter Klosinski, der den Verbleib des Mädchens in der Pflegefamilie befürwortete. (pp)