MÖSSINGEN. Zum vierten Mal rief ein Mössinger Bündnis aus Orts- und Gartenbauverein, Naturschutzbund Deutschland und Netzwerk Streuobst zum »Ausmisteln« auf: Am Samstag beteiligten sich rund 25 Menschen daran, Bäume von Misteln zu befreien. Misteln sind Schmarotzer, die sich über ein Saugorgan mit der Wirtspflanze verbinden.
Im Comic »Asterix«, der in der Zeit Julius Cäsars angesiedelt ist, braucht der gallische Druide Miraculix Misteln als Hauptzutat für einen Zaubertrank, der die Krieger seines Dorfs unbesiegbar macht. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt die Mistel als medizinisch wirksames Heilmittel, etwa bei der Bekämpfung von Lungenerkrankungen oder Epilepsie. Heute sind Misteln hier in der Gegend als Dekoration in der Weihnachtszeit beliebt.
»Die Mistel ist nicht schützenswert«
Wie viel Zauber steckt also in der Mistel? »Gar keiner«, sagte Brigitte Hahn vom Netzwerk Streuobst, »Misteln machen Bäume kaputt.« In hiesigen Gegenden handele es sich hauptsächlich um die Laubholzmistel, die sich vor allem auf ungepflegten Streuobstwiesen breit macht. »Die Mistel ist nicht schützenswert, das ist ein Irrglaube«, fügte Brigitte Hahn an.
Darum also der »Ausmisteln«-Aktionstag. Es ist der Vierte. Jannik Deibler aus Hirrlingen, der in seinem Heimatort »mehrere Wiesen« hat, war jedes Mal mit von der Partie: »Die Mössinger haben das groß angekündigt, deswegen bin ich dabei.« Deibler zeigte mit der Stangensäge auf einen Apfelbaum: »Den kann man wohl nicht mehr retten.« Dieser Baum ist Wirt für eine große Mistel, die an der Stammverlängerung sitzt.
Mistelsamen werden von Vögeln weitergetragen
Brigitte Jessen und Stefanie Gotterbaum gehören zum Abräumkommando. Die beiden Frauen tragen die abgesägten Äste an die Straße, die nach Talheim führt. Angestellte der Stadt entsorgten das abgesägte Holz später. Vom Treffpunkt Schützenhaus Mössingen aus arbeiteten sich die »Ausmistler« schnell bis hierher. Dann verteilten sie sich, genauso schnell, in alle Himmelsrichtungen. Und sie hatten viel zu tun: Im gesamten Sichtfeld standen Bäume, die mit großen Misteln bewachsen waren.
Die Samen der Schmarotzer werden von Vögeln weitergetragen. Daher appellierte Brigitte Hahn an die Wiesenbesitzer, nach ihren Bäumen zu schauen. »Eine Wiese mistelfrei und die Nachbargrundstücke drumherum voll bewachsen – das hilft niemandem.« Auch aus diesem Grund appellierte Hans Wehner, Vorsitzender des OGV Mössingen zu Beginn: »Es müssen mehr solche Aktionen im Landkreis stattfinden!«
An kahlen Bäumen erkennt man Misteln gut
In Mössingen soll es das »Ausmisteln« ab jetzt jedes Jahr geben, immer am letzten November-Wochenende. In dieser Jahreszeit, so Brigitte Hahn, erkenne man die Misteln in den kahlen Bäumen gut. Private Wiesenbesitzer, die Misteln in ihren Bäumen beseitigen wollen, bekommen auf Wunsch Unterstützung vom Netzwerk Streuobst: »Von uns können die Leute Werkzeuge ausleihen.«
Zur Verfügung stehen die bewährten Stangensägen, die man bis zu fünfeinhalb Meter ausziehen kann, aber auch Leitern, Balkenmäher mit Hängern und andere Geräte. Etwa Obsthäcksler oder Hydropressen, für diejenigen, die aus ihrem Obst Saft machen wollen. Da wären wir dann wieder bei Miraculix: »Der war lange nicht mehr da«, sagte Brigitte Hahn. »Wir holen uns den Zauber woanders – beim Mosten.« (GEA)