TÜBINGEN. Dass Tübingen in Sachen Erneuerbarer Energien eine Vorbildfunktion in Baden-Württemberg einnimmt, weiß auch CDU-Fraktionsvorsitzender Manuel Hagel. Deshalb nimmt der Politiker die »Lustnauer Ohren« genauer unter die Lupe, wie der landesweit erste Solarpark auf einer Freifläche genannt wird. Oberbürgermeister Boris Palmer empfängt den Landtagsabgeordneten an einem frostigen Freitagmorgen, mit technischer Unterstützung von Julian Klett und Reiner Ebe von den Stadtwerken Tübingen. Die Männer vom Fachbereich Erneuerbare Energien freuen sich über den strahlenden Sonnenschein – und die Kälte. »Kalte Platten heißt bessere Leistung«, weiß Klett. Über eine Million Kilowattstunden Energie produzieren die fleißigen Module auf 9 000 Quadratmetern pro Jahr. Davon können über 250 Vier-Personen-Haushalte von Frühjahr bis Winter mit Energie versorgt werden.
Die Hürden sind zu groß
Das sind Zahlen, die den CDU-Politiker sichtlich freuen. Aber: »Wir müssen zusehen, dass Schwung in die Sache kommt.« Es könne nicht angehen, dass es neun Jahre dauert, um mit der Bebauung von Fotovoltaikanlagen auf einer dafür sinnvollen Fläche beginnen zu können. Damit spielt der Abgeordnete auf den Planungszeitraum an, der vor dem Baubeginn des Solarparks geleistet werden musste. Und die Ausgangslage damals war noch günstig: Die Fläche war bereits durch einen Bebauungsplan freigegeben worden. Trotzdem: neun Jahre Planung, neun Wochen Bauzeit – das stehe in keinem Verhältnis.
Die bürokratischen Hürden sind zu groß. Darin sind sich Kommune, Stadtwerke und CDU einig. Kleinliche Verordnungen verhindern eine zügige Energiewende, wie ein notwendiges Gutachten über die mögliche Blendgefahr durch Solarpanele. »Das macht keinen Sinn, das kann man dem Bürger nicht mehr erklären«, ärgert sich Palmer. »Dann nutzt man halt die Sonnenblende.« Sein Appell an Hagel: »Bitte macht ein Gesetz, damit wir schneller Solaranlagen bauen können.«
So ist es bereits gestattet, bis zu 500 Meter neben den Autobahnen Solaranlagen zu errichten und dafür Förderungen zu erhalten. Für Bundes- und Landstraßen gilt das aber nicht, hier ist außerdem ein Bebauungsplan notwendig – und das dauert. »Hier hat der Gesetzgeber eine Chance verpasst. Es bräuchte ein Landesohrengesetz«, sagt Palmer schmunzelnd.
Weitere Hindernisse tun sich auch im Bereich des Umwelt- und Artenschutzes auf. Zu Unrecht, wie Palmer und Hagel finden. So seien die »Ohren« früher eine Nutzwiese gewesen und mehrfach im Jahr gemäht worden. »Seit die Panele stehen, grasen hier Schafe«, erklärt Palmer. »Und das hohe Gras ist gut für die Insektenvielfalt«, setzt Hagel nach. »Es muss doch verdammt noch mal möglich sein, dass das klappt.« Die Stadtwerke pflichten bei. Am Willen der Beteiligten scheint es also nicht zu liegen, dass die Energiewende zu langsam voranschreitet. (pru)