Logo
Aktuell Partnerschaft

Landkreis Tübingen hat nun einen Partner in Israel

Eine Partnerschaft mit Hof HaCarmel bei Haifa hat der Landkreis Tübingen jetzt offiziell mit einer bewegenden Feier besiegelt

Asif Izak und Joachim Walter besiegelten offiziell die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Tübingen und dem israelischen Distri
Asif Izak und Joachim Walter besiegelten offiziell die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Tübingen und dem israelischen Distrikt Hof HaCarmel. Foto: Irmgard Walderich
Asif Izak und Joachim Walter besiegelten offiziell die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Tübingen und dem israelischen Distrikt Hof HaCarmel.
Foto: Irmgard Walderich

KREIS TÜBINGEN. Zu einem ganz besonderen Abend der Begegnung wurde am Dienstagabend der Empfang des Landkreises Tübingen. Landrat Joachim Walter besiegelte zusammen mit seinem israelischen Kollegen Asif Izek die Partnerschaft mit dem israelischen Hof HaCarmel. Dazu begrüßte er nicht nur eine große Zahl Gäste aus Politik, Verwaltung, Universität persönlich, sondern auch eine ganze Reihe neu Eingebürgerter.

Wie besonders die Partnerschaft ist, bewies die Rede von Izek. Seine Familiengeschichte ist eine Geschichte von Tod und Vertreibung. Sie begann in Polen, »weniger als 1.000 Kilometer von Tübingen entfernt«, berichtete der Vorsitzendes des Regionalrats von Hof HaCarmel. Elf Brüder und Schwestern hatte sein Großvater väterlicherseits. Alle wurden einschließlich ihrer Familien im Holocaust ermordet. Auch der Großvater mütterlicherseits verlor seine gesamte Familie - mehr als hundert Verwandte wurden Opfer der Nationalsozialisten. Nur die Großeltern überlebten und flohen nach Südamerika. Die Eltern von Izek wurden in Uruguay und Argentinien geboren. »Doch wie ihre Eltern fanden sie keinen Frieden in ihren Geburtsländern«, erzählt Izek. »Als sie noch keine 20 Jahre alt waren, ließen sie alles hinter sich und wanderten nach Israel ein.«

»Wir sahen mit Entsetzen, wie sich die Geschichte wiederholt - Asif Izek«

Israel wurde Heimat, und es wurde vor allem Zuflucht für die Familie. Was unter diesen Vorzeichen der 7. Oktober 2023 für die Familie bedeutete, schilderte Izek am Dienstagabend eindringlich: »Wir sahen mit Entsetzen, wie sich die Geschichte wiederholte. Tausende Männer griffen wie wilde Tiere den israelischen Grenzzaun an, drangen in die Gemeinden ein und fuhren fort, ohne Unterlass zu zerstören und zu morden.«

Aber dieses Mal sei es anders, so Izek weiter. Während vor 90 Jahren die jüdischen Familien »wehrlos und hilflos in die Todesgruben und Krematorien gingen«, könne sich das jüdische Volk heute zur Wehr setzen, um das eigene Land zu verteidigen. Dennoch: Izek verlor am 7. Oktober seinen besten Freund. Dies seien die schwierigsten Zeiten für das jüdische Volk seit der Gründung des Staates Israel. Schockiert beobachte er, »wie ganze Gruppen in der ganzen Welt das Existenzrecht Israels leugnen, das Recht Israels, sich zu verteidigen, leugnen und die Lehren aus der Geschichte ignorieren.« Umso dankbarer sei er für die neu entstandene Freundschaft zum Landkreis Tübingen. »In schwierigen Zeiten erfährt man, wer seine echten Freunde sind. Ihr gebt uns Hoffnung.«

In Hebräisch trug Izek seine bewegende Rede vor. Auf großen Infotafeln wurde sie übersetzt. Das Publikum erhob sich, um das Gehörte angemessen zu würdigen.

»Die Menschen haben es geschätzt, dass wir in diesen schweren Zeiten nach Israel kommen - Tübinger Landrat Joachim Walter«

Es ist eine ganz besondere Partnerschaft, die an diesem Abend offiziell besiegelt wurde. Und es ist die allererste deutsch-israelische Städte- oder Landkreisfreundschaft, die nach dem Massaker am 7. Oktober geschlossen wurde, betonte Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel in München. Lador-Fresher sandte ihre Botschaft per Videoschaltung.

Der Kreistag habe die Idee zu einer Partnerschaft mit einem Kreis in Israel von Anfang an positiv aufgenommen, berichtete Landrat Joachim Walter. Man sei sehr schnell fündig geworden. Schließlich verbindet das Karl-von-Frisch-Gymnasium auf dem Höhnisch schon seit 2007 eine Partnerschaft mit der High School im Kreis Hof HaCarmel. Auch stamme einer der bedeutendsten Palästina Forscher des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, Gottlieb Samuel Schumacher, aus Tübingen.

Die Schulpartnerschaft wurde zum Anlass genommen, mit der dortigen Kreisverwaltung Kontakt aufzunehmen. Im Juni reiste Landrat Walter mit einer kleinen Gruppe nach Israel. Er habe in fünf Tagen ein überaus gastfreundliches land erlebt. »Die Menschen haben es unglaublich geschätzt, dass wir in diesen schweren Zeiten nach Israel kommen.« Besonders beeindruckt war der Landrat von vielen Beispielen eines »unproblematischen und respektvollen Miteinander der Religionen«. Viele Menschen hätten ein »falsches« oder »unvollständiges Bild von Israel, auf dem sie ihre Meinung gründen«.

»Man merkt, wie viele Vorurteile man hatte - Benedikt Lotz, Schüler am Karl-von-Frisch-Gymnasium«

Die Partnerschaft zwischen den beiden Kreisen soll das ändern. In den beiden Schulen ist das schon passiert. »Man merkt, wie viel näher die Israelis einem sind. Man merkt, wie viele Vorurteile man hatte«, erzählte Benedikt Lotz, Schüler des Karl-von-Frisch-Gymnasiums.

Der letzte Austausch stand allerdings ganz unter dem Schock des Hamas-Massakers. Die israelischen Schüler waren genau zu diesem Zeitpunkt im Landkreis. Am 7. Oktober stand eine Fahrt nach Dachau an. Die Israelis wollten sie nicht absagen, obwohl sie wussten, was gerade in ihrer Heimat geschieht. Alle seien wohlbehalten zu Hause angekommen, erzählte Lehrerin Anke Lohrberg-Pukrop. Ein Gegenbesuch in Israel wurde allerdings aufgrund der aktuellen Entwicklungen abgesagt.

»Menschen unterschiedlicher Kulturen können durch Begegnung voneinander lernen.« Das hatte Walter zu Beginn seiner Rede gesagt. Das gilt auch für die neuen Mitbewohner des Landkreises. 689 Menschen wurden 2023 im Landkreis Tübingen eingebürgert. Mostafa Elyasian ist einer von ihnen. Stellvertretend für alle neuen Einwohner stellten Franziska Benz und Jennifer Heusel, Auszubildende im Landratsamt, den Fotografen vor. Seit 2017 lebt er der gelernte Juwelier, Fotograf und Bergsteigerlehrer aus Teheran im Deutschland. Er arbeitet bei Tü-News, dem interkulturellen Medienprojekt des Landkreises mit. »Die Tü-News war ein Wunder für mich. Ohne sie wäre ich heute nicht hier«, sagte Elyasian. »Viel Geduld und Zeit« habe sein Einbürgerungsantrag gebraucht. Jetzt hat er es geschafft. »Das ist nicht das Ende des Weges, sondern der Beginn eines neuen.« (GEA)