TÜBINGEN. Die Proteste gegen die Tübinger Sparpläne waren groß. Der Besucherandrang der Bürgerinformation am Dienstagabend eher gering. Knapp hundert Tübinger kamen in die Hermann-Hepper-Halle. Was womöglich dem knappen Zeitplan geschuldet war. Am Donnerstagabend entscheidet der Gemeinderat über die rund 230 Sparvorschläge der Verwaltung. Sicher ist schon jetzt, dass die Abstimmung über die Müllabfuhr verschoben wird. Die Fraktionen konnten sich bisher noch nicht darauf einigen, ob die Abfallbeseitigung in städtischer Hand bleiben soll oder nicht.
Was die Tübinger an diesem Abend vor allem bewegte, waren die Eingriffe in den sozialen Bereich: Die Kindergartengebühren sollen angehoben werden, die Sachkostenpauschale für die Träger der Kindertagesstätten eingefroren und die Stellen für die Schulsozialarbeit gekürzt werden. Viele Bausteine stehen im Konsolidierungsprogramm, mit denen die Bewohner der Unistadt nun zurechtkommen müssen: Bushaltestelle, die nicht mehr angefahren werden, soziale Angebote, die ersatzlos gestrichen werden sollen.
30 neue Stellen beim Jugendamt
Gefragt wurde aber auch, wie es sein kann, dass so schnell ein 40-Millionen-Euro-Loch im Haushalt entstehen kann. Oberbürgermeister Boris Palmer nannte dafür vor allem drei Gründe: Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, welches mit einem großen bürokratischen Aufwand verbunden sei, steigende Kosten bei der Unterbringung von Flüchtlinge, 30 neue Stellen beim Jugendamt, die aufgrund eines Missbrauchsfalls in Mössingen geschaffen worden seien. Dazu kommen deutlich gestiegene Personalkosten.
Schon vor zwei Jahren habe er in seiner Neujahrsrede auf deutliche Kostensteigerungen hingewiesen, sagte Palmer. Mit einer »Ausgabendynamik in dieser Form« habe er allerdings nicht gerechnet. Und das in Zeiten zurückgehender Einnahmen. Die Botschaft war klar. Die guten Jahre sind vorbei. Die Stadt kämpft um einen genehmigungsfähigen Haushalt. »Das ist auch für uns außerordentlich frustrierend«, sagte Palmer.
Den Tübingern, die erst seit Herbst wissen, was das auf sie zu kommt, ging das alles zu schnell. Warum könne die Debatte nicht nochmal verschoben werden, meldete sich eine Frau zu Wort. An dem Maßnahmenkatalog arbeite die Stadt schon seit einem Jahr, sagte Palmer. »Wir sind unter Zeitdruck, jede weitere Verzögerung kostet Geld.« Schließlich stehe die Stadt ohne Haushalt da, wenn über den Etat nicht entschieden werde.
Spendensammlung ohne Erfolg
»Kreative Lösungsvorschläge« anstelle eines Sparkatalogs hätte sich eine Tübingerin von Palmer gewünscht. Einen freiwilligen Solidaritätszuschlag beispielsweise. Außerdem: »Wo sind ihre persönlichen Einsparungen?«, fragte sie den OB. Das Spendenaufkommen liege jährlich bei 200.000 Euro, erklärte Palmer. Er könne sich nicht vorstellen, dass das in großem Ausmaß zu steigern sei. Als Vater zweier Kinder ist auch Palmer von der Erhöhung der Kindergartengebühren betroffen. Und sollte eine Grundsteuer-Erhöhung kommen, werde er seinen Beitrag bezahlen im Wissen, dass das die Stadt benötigt. Erfahrungen mit Spenden hat auch Kultur- und Sozialbürgermeisterin gesammelt: Gundula Schäfer-Vogel hatte viele Tübinger Theaterinteressierte gebeten für das Zimmertheater zu spenden. »Das hatte keinerlei Erfolg.«
Den Vorwurf, keine kreativen Ideen entwickelt zu haben, wollte Palmer nicht auf sich sitzen lassen. So sei die Verpackungssteuer eine »außerordentlich kreative Idee zu Geldbeschaffung«. Vielleicht helfe es aber auch »einfach mal nicht immer dagegen zu sein«, schlug ein Tübinger vor. »Drei Windräder auf dem Rammert« seien eine gute Investition, um Geld in die klamme Stadtkasse zu spülen. (GEA)