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Kirchentellinsfurter war 40 Jahre im Gemeinderat

40 Jahre Gemeinderat. Dann aus und vorbei? So läuft das nicht bei Werner Rukaber in Kirchentellinsfurt, einem Mann, der außerdem ein Herz für Vereine hat.

Produktiv an der Leinwand: Werner Rukaber mit zweien seiner vielen Werke, dem dunklen »Seenachtsfest« und einem eher experimente
Produktiv an der Leinwand: Werner Rukaber mit zweien seiner vielen Werke, dem dunklen »Seenachtsfest« und einem eher experimentellen Bild ohne Titel. Foto: Joachim Kreibich
Produktiv an der Leinwand: Werner Rukaber mit zweien seiner vielen Werke, dem dunklen »Seenachtsfest« und einem eher experimentellen Bild ohne Titel.
Foto: Joachim Kreibich

KIRCHENTELLINSFURT. So ganz hat er mit dem Gemeinderat nicht abgeschlossen. Bei der ersten Sitzung des neuen Gremiums nahm der SPD-Mann mit Barbara Krahl (früher FFL und RAT) auf den Zuhörerbänken Platz. Um zu zeigen, dass er das Engagement aller, die sich zur Wahl gestellt haben, für wichtig hält. Und bei der Entscheidung über den Neubau für Feuerwehr und Bauhof war er gleich wieder da. Schließlich beschäftigt das Thema den Ort seit Jahren. Und natürlich wird er bei Gelegenheit wieder kommen, wenn Entsprechendes auf der Tagesordnung steht. Immerhin war er 40 Jahre Mitglied im Gremium und hat ganz selten mal gefehlt - das spricht für besonderes Durchhaltevermögen. Was im Flecken passiert, interessiert ihn eben nach wie vor.

In vier Jahrzehnten hat die komplette Rathaus- und Bauhof-Mannschaft gewechselt. Da ist keiner mehr berufstätig, der Rukabers Start im Gremium mitbekommen hätte. Bürgermeister Bernhard Knauss hatte seinerzeit etwas mehr als die Hälfte der ersten seiner fünf Amtszeiten absolviert. Das Dorf hatte nicht wie heute knapp 5.700 Einwohner, sondern gut tausend weniger.

»Das war immer unser Ziel: Kirchentellinsfurt soll organisch wachsen und nicht in massiven Schüben«

»Das war immer unser Ziel: Kirchentellinsfurt soll organisch wachsen und nicht in massiven Schüben«, erinnert sich Rukaber. Die österreichische Partnerstadt Illmitz im Burgenland hat das Zehnfache an Fläche. »Wir dagegen müssen haushalten«, sagt der 71-Jährige. Sickenhausen und Degerschlacht, zwei der benachbarten Teilorte von Reutlingen, haben eine starke Verdichtung im Ort erlebt. Viele in Kirchentellinsfurt finden, man habe gut daran getan, dies hier nicht zuzulassen. Jüngstes Beispiel ist das Ärztehaus, das sich gut ins Dorf einfügt. Rukaber weiß, dass bei manchem Vorhaben Pläne in viel größeren Dimensionen kursierten.

SPD-Liste erlebte Auf und Ab

Als angenehm empfand er, dass bei den Diskussionen die Fraktionszugehörigkeit nur selten eine Rolle spielte. »In den 40 Jahren gab's keine fünf Prozent rein parteigeprägte Abstimmungen.« Tempo 30, die Gestaltung des Rathausplatzes oder der Dorfstraße sind so gesehen Ausnahmen. Seine SPD-Liste erlebte ein Auf und Ab. Zwischendurch zählte die Fraktion fünf Köpfe, nach seinem Verzicht sind's gegenwärtig nur noch zwei. Aber es war knapp. Ein paar Stimmen mehr, und die SPD hätte einen Sitz mehr gehabt und die FWV nur drei statt vier. Ehemalige Gemeinderäte und Bürgermeister Bernd Haug würdigten ihn beim Abschied als Mann des Ausgleichs und geborenen Vermittler.

Rukaber hat sieben Jahrzehnte der Entwicklung in der Gegend mitverfolgt. Er ist in Kirchentellinsfurt geboren, ging in Reutlingen auf die Eichendorff-Realschule, studierte in Tübingen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft, später kam dann auch noch Geschichte dazu. Nach dem Referendariat in Nürtingen folgte die erste berufliche Station in Backnang, aber sobald sich die Gelegenheit ergab, wechselte er auf die Wilhelm-Schickard-Schule in Tübingen.

»Wenn ich Möbel kaufe, verhalte ich mich anders als die meisten Leute«

Bis 2016 hat er dort unterrichtet. Nicht nur die angestammten Fächer, sondern fachfremd auch Deutsch und einiges andere. Als Prüfer bei der IHK und für die Rechtsanwaltskammer hat er eine ganze Palette von Berufen kennengelernt und manches hat seine Gewohnheiten verändert. »Wenn ich Möbel kaufe, verhalte ich mich anders als die meisten Leute«, sagt er schmunzelnd. »Ich schau mir auch die Beschläge ganz genau an.«

Kein Vereinsmeier

Die Leute in der Gegend kennen ihn aber nicht nur als Gemeinderat und Lehrer. Rukaber war und ist Mitglied in einer ganzen Reihe von Vereinen. Das fing an beim CVJM und dem TBK, wo er Fußball spielte (Mittelstürmer), ging über die Skifreunde (Gründungsmitglied) und das Technische Hilfswerk (bis der Ortsverein aufgelöst wurde) und endet nicht beim Tennisverein, wo er zeitweise den Vorsitz übernommen hatte, oder dem Musikverein (»nur passives Mitglied«). Vor Kurzem wurde er wieder bei den Reutlinger Ravens gesichtet, wo er gerne ein bisschen aushilft. Ein echter Vereinsmensch also. »Aber kein Vereinsmeier«, betont er - also keiner, der seinen Verein ganz in den Mittelpunkt stellt und drumherum alles andere vergisst.

Er ist überzeugt: Nur wenn Leute Verantwortung übernehmen und sich beteiligen, funktioniert eine dörfliche Gemeinschaft. Und Ehefrau Monika schärfte ihm zwar gelegentlich ein: »Wenn du wieder mit einem neuen Posten heimkommst, lass ich mich scheiden«, doch das war nie ernst gemeint. Und über das Engagement für die Partnerschaft mit Illmitz entstand eine tiefe Freundschaft der Rukabers mit Renate und Walter Salzl im Burgenland.

»Ich bin kein Künstler, sondern jemand, der etwas ausprobiert.«

Aber es gibt noch einen Werner Rukaber. Und der ist in der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt. Wer nämlich das Haus in der Gächtstraße betritt, dessen Blick fällt gleich auf mehr als ein halbes Dutzend Bilder. Der Eindruck: Hier wohnt ein Maler oder Sammler. Kunstfreund Rukaber winkt ab. »Ich bin kein Künstler, sondern jemand, der etwas ausprobiert.«

Neue Phase mit Aquarellfarbe

2014 hat er, offenbar mehr aus Zufall, aber auch weil er sich für Charity-Projekte in Indien und eine Juniorenfirma der Schule einsetzte, Acrylfarbe gekauft und zwei Jahre später - zu Beginn seines Ruhestands - eine eigene Mal-Ecke im Haus eingerichtet. Ehefrau Monika war noch berufstätig. »Die Katze und ich waren allein daheim.« Der Neuling zeigte sich produktiv. Erst genau nachlesen, wie das geht, dann selber versuchen. Inzwischen ist eine respektable Zahl von Bildern zusammengekommen. »Unterschiedlichste Sachen und Stilrichtungen«. Demnächst will er sich Aquarellfarben besorgen und damit eine neue Phase des Ausprobierens starten.

Was den Gemeinderat anbetrifft: Zum Jahrtausendwechsel hatte er schon mal mit dem Gedanken gespielt aufzuhören. Dann hatte er es aufs Ortsjubiläum 2007 verschoben. Im Februar 2015 war er immer noch dabei, als die Gemeinderäte einen absoluten Rekord aufstellten und ihren Haushaltsbeschluss erst um 0.45 Uhr trafen - um anschließend noch ein Stunde nichtöffentlich dranzuhängen und ihren Kämmerer Gerhard Stökler zu verabschieden. Im Nachhinein findet er das gar nicht mehr so furchtbar ungewöhnlich. »Lange waren Sitzungen bis 23 Uhr Usus in Kirchentellinsfurt.« Und dieses eine Mal artete es eben in eine Nachtschicht aus. (GEA)