KIRCHENTELLINSFURT. Ein großer Tisch, an dem alle gemeinsam essen, ins Gespräch kommen, sich füreinander interessieren: Das könnte der Beginn einer Gemeinschaft sein, die sich umeinander kümmert. Michael Lucke, Vorsitzender des Tübinger Kreisseniorenrats, hat dieses Bild beim dritten Forum des Generationen-Netzwerks in seinem Vortrag in der Kirchentellinsfurter Richard-Wolf-Halle entworfen. Im Ort wird es nicht bei dieser gedanklichen Vorstellung bleiben: Im Martinshaus ist ein offener Mittagstisch geplant. Startschuss ist am 6. Mai. Alle, die wollen, können dort essen und miteinander ins Gespräch kommen.
Es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur sorgenden Gemeinschaft, den das Generationen-Netzwerk mit vielen einzelnen Projekten derzeit geht. Diese Schritte seien auch dringend nötig, sagte Hartwig von Kutzschenbach. Schließlich steuere die Gesellschaft auf einen extremen demografischen Wandel zu. »Die Zeiten, wo der Staat alleine sorgen kann, sind vorbei«, sagte von Kutzschenbach. Die Menschen müssten sich also künftig wesentlich mehr selbst kümmern.
Bald mehr Rollatoren als Kinderwägen
Das bestätigte auch Lucke. »Die Hochaltrigen nehmen dramatisch zu«, sagte der Kreisseniorenrat. Die Babyboomer seien zwar sympathisch, aber in ihrer Masse ein Problem. Bald werde es mehr Rollatoren als Kinderwägen geben. Deshalb müsse es nun darum gehen, eine Kultur des Sorgens im Ort zu schaffen. »Was brauchen wir in Kirchentellinsfurt? Wo haben wir Stärken, wo haben wir Lücken?« Dieses Fragen sollten immer wieder gestellt werden, empfahl Lucke.
Es gehe darum, eine Gemeinschaft aufzubauen, die sich nicht nur gegenseitig hilft, sondern auch miteinander Spaß hat. Eine ganz eigene Kultur also. Das sei mitunter ein »ziemlich zäher Prozess«, sagte Lucke. Überzeugte und Gläubige werde es dabei geben, aber auch Zweifler. »Die nenne ich die Taliban.« Lucke hatte auch Vorschläge parat, wie das gelingen kann: »Erzählen Sie von Erfolgen, reden Sie darüber«, empfahl er den Anwesenden. Außerdem müssten wichtige Leute erkannt und hofiert werden, um sie mit ins Boot zu holen.
Großer Stamm an Engagierten
Einen großen Stamm an Engagierten gibt es bereits in Kirchentellinsfurt. Das war an dem Abend zu sehen und erleben. Zehn Projekte wurden schon auf die Beine gestellt (wir berichteten). Eines ist allerdings mangels Interessenten gestorben: Wunschgroßeltern wird es erstmal nicht geben. Sie stehe mittlerweile alleine, erzählt Gabi von Kutzschenbach. Das Projekt starb nicht nur am geringen Interesse, sondern auch an den geforderten Voraussetzungen für Wunschgroßeltern wie beispielsweise dem polizeilichen Führungszeugnis. "Es ist vielleicht eine Aufgabe, die zu hochschwellig ist, sagte von Kutzschenbach. Neue Projektidee sei nun: Jung trifft alt. Dort sollen Treffpunkte für Ältere und Familien geschaffen werden.
Zwei Fragen gab es, die am Dienstagabend im Vordergrund standen: Was gibt es bereits in Kirchentellinsfurt, und wie gelingt es, Menschen anzusprechen, die bisher vom Generationen-Netzwerk nicht erreicht wurden. Dabei gehe es in erster Linie um vulnerable Gruppen, sagte von Kutzschenbach. Alleinstehende, einsame Menschen, Menschen, die an Depressionen oder Demenz leiden oder körperliche beeinträchtigt sind gehören beispielsweise dazu.
Bestehendes wie einen Schatz hüten
Zu beiden Themen gab es an diesem Abend Arbeitsgruppen. Die erste Frage ließ sich dabei vergleichsweise leicht beantworten. Neben den Gruppen, die aktuell im Generationennetzwerk entstanden sind, gibt es schon sehr viel länger viele Vereine, Einrichtungen und Organisatoren. Das reicht vom TBK als größten Verein in der Gemeinde bis zur Volkshochschule, Bücherei und dem Krankenpflegeverein. Auch ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe gehört dazu, die bisher noch nicht ausreichend sichtbar ist. All das sollte »gehütet werden wie ein alter Schatz«, hatte Lucke zuvor gesagt.
Wesentlich schwieriger ist es dagegen, Menschen zu erreichen, die Hilfe benötigen. Deshalb waren es vor allem Fragen, die an diesem Abend gesammelt wurden. Das Fazit beider Gruppen ist auf jeden Fall: Alle Beteiligten sollten mehr nach Außen treten, über das Netzwerk informieren und Menschen ermutigen, sich zusammenzutun. Brücken müssen gebaut werden, beschreibt es Yasmin Mai-Schoger. »Aber es muss auch einen geben, der darüber geht.« (GEA)