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Jede fünfte Schulleitung will einen anderen Job

Tübinger Forschungsteam befragte Führungskräfte: Ideal und Berufsalltag klaffen oft weit auseinander

Ein Schild mit einem durchgestrichenen Schriftzug »Schule«
Ein Schild mit einem durchgestrichenen Schriftzug »Schule«. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symboldbild
Ein Schild mit einem durchgestrichenen Schriftzug »Schule«. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symboldbild

TÜBINGEN. Jede fünfte Schulleitung in Deutschland würde lieber den Arbeitsplatz wechseln. Dies zeigt die für Deutschland repräsentative Studie »Leadership in German Schools (LineS2020)« zu den Karrieren von Schulleiterinnen und Schulleitern.

Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Lüneburg sowie der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz haben 405 Schulleitungen an allgemeinbildenden Schulen befragt. Sie wollten herausfinden, warum Menschen eine Schulleitung annehmen oder eben nicht, ob und warum sie einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen und in welchem Maße dies einen Einfluss darauf hat, Schulen fit für die Zukunft zu machen.

Deutschlandweit sind derzeit etwa 1 000 Schulleitungen unbesetzt, insbesondere an Grundschulen. Aber auch vergebene Stellen sind oft Wackelkandidaten: Die Studie zeigt, dass 20 Prozent aller Schulleiterinnen und Schulleiter darüber nachdenken, nochmals die Stelle zu wechseln. Insbesondere an Haupt- und Realschulen (24 Prozent) sowie an Grundschulen (23 Prozent) ist die Wechselbereitschaft hoch. Als Gründe gaben die Befragten einen Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung an (52 Prozent), aber häufig auch die als unangemessen erachtete Bezahlung (44 Prozent) oder fehlende Unterstützung (31 Prozent).

»Unsere Befragung zeigt: Die Gründe für die Berufswahl und die Arbeitsrealität von Schulleitungen klaffen weit auseinander«, sagt Professionsforscher Professor Colin Cramer, der an der Universität Tübingen für die Studie verantwortlich ist. Mit 93 Prozent hätten nahezu alle Schulleitungen in Deutschland als Motivation für ihre Tätigkeit angegeben, das Amt eröffne die Möglichkeit, neue Ideen zu entwickeln und zu erproben.

In der Praxis verbrächten sie jedoch die meiste Zeit damit, einen reibungslosen Alltag an Schulen sicherzustellen, erklärten 67 Prozent der Befragten. Nur 16 Prozent bestätigten, ausreichend Zeit für neue Ideen und die Umsetzung von Innovationen zu haben.

Die Motivation scheint hoch: 95 Prozent der Schulleitungen berichten, Freude an ihrer Arbeit zu haben, 88 Prozent erleben ihre Tätigkeit als inspirierend. Dennoch gibt mehr als die Hälfte (53 Prozent) an, unter Stress und Überlastung zu leiden.

Hinweise auf Burn-out

Rund jede vierte Schulleitung (24 Prozent) empfindet ein Missverhältnis von beruflicher Verausgabung einerseits und beruflicher Entlohnung durch Einkommen und Anerkennung andererseits. Die Wissenschaft spricht hier von einer »beruflichen Gratifikationskrise«. Bei etwa jeder sechsten Schulleitung (16 Prozent) fand das Forschungsteam darüber hinaus Hinweise auf einen Burn-out.

»Schulleitungen sind grundsätzlich zufrieden mit ihrer Aufgabe. Es bleibt ihnen angesichts vielfältiger Verwaltungsaufgaben aber wenig Zeit, ihre Schule weiterzuentwickeln und sie damit auf Herausforderungen vorzubereiten«, sagt Cramer. So nehme die Arbeitszufriedenheit gerade in fordernden Situationen wie der Corona-Krise merklich ab. Innovationen, etwa bei der Digitalisierung, müssten unter Hochdruck nachgeholt werden. »Schulen brauchen offenbar Schulleitungen, die mehr Freiraum erforderlichen Innovationen haben.« (u)