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Hechinger Eck in Tübingen: Das goldene Herzstück steht

Das neue Quartiergebäude am Hechinger Eck am Rande der B 27 in Tübingen vereint Wohnraum, Pflegeheim und Grundschule auf knapp 7.000 Quadratmetern. Vergangene Woche haben die drei Bauherrinnen das zentrale Gebäude vorgestellt - und auf einige Besonderheiten aufmerksam gemacht.

Trotz des trüben Herbsttages erstrahlt die Aluminiumfassade des Quartierhauses in Gold.
Trotz des trüben Herbsttages erstrahlt die Aluminiumfassade des Quartierhauses in Gold. Foto: Paul Runge
Trotz des trüben Herbsttages erstrahlt die Aluminiumfassade des Quartierhauses in Gold.
Foto: Paul Runge

TÜBINGEN. Es ist ein Vorzeigeobjekt moderner Städteplanung, daran ließ Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bei der feierlichen Einweihung keinen Zweifel: »Das Gebäude bietet viele Lösungen für die Probleme unserer Zeit«, erklärte er. »Die Nutzungsmischung ist hier auf den Punkt gebracht.« Grundschule, Pflegeheim und Wohnraum unter einem Dach, komplementiert durch eine Gewerbeeinheit, zum größten Teil aus Holz gefertigt und mit bester Energieeffizienzklasse: Vergangene Woche wurde das Quartierhaus am Hechinger Eck eingeweiht. Die goldgefärbte Aluminiumfassade, die den Komplex umschmiegt, kann in Zukunft wohl von keinem Autofahrer, der auf der B 27 unterwegs ist, übersehen werden. Und das ist erst der Anfang.

Zwei weitere Einheiten werden das »Herzstück« des Hechinger Ecks in der Zukunft ergänzen: die recht technisch benannten Areale »Hof B« und »Hof C«, die - Planungsstand jetzt - wohl im kommenden Jahr fertig gebaut werden. Diese bestehen zwar größtenteils aus Wohnungen, haben aber trotzdem Platz für kleine Gewerbeeinheiten wie beispielsweise ein Café. »Damit hat unsere Baugruppe nichts zu tun, da sind auch viele private Bauherren mit beteiligt«, verriet Uwe Wulfrath, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau (GWG) der Stadt Tübingen. »Am Ende entsteht hier aber ein modernes, städtisches und vor allem lebendiges Quartier.«

In den oberen Stockwerken des S-förmigen Gebäudes sind insgesamt 29 geförderte Mietwohnungen untergebracht.
In den oberen Stockwerken des S-förmigen Gebäudes sind insgesamt 29 geförderte Mietwohnungen untergebracht. Foto: Paul Runge
In den oberen Stockwerken des S-förmigen Gebäudes sind insgesamt 29 geförderte Mietwohnungen untergebracht.
Foto: Paul Runge

Drei Bauherrinnen haben das rund 28 Millionen Euro schwere Quartiershaus zusammen gestemmt: Die GWG, die gleichzeitig die Projektleitung übernommen hat, die Altenhilfe Tübingen (AHT) und die Stadt selbst. Fast 7.000 Quadratmeter verstecken sich in dem kompakten, S-förmig angelegten Bau, deren starkes Fundament aus Beton besteht, nach oben hin bis in den sechsten Stock aber vollständig aus Holz gebaut wurde. »Wir haben darauf geachtet, dass die Lieferketten lokal bleiben«, erklärte Wulfrath. Das Holz stamme aus dem Schwarzwald, die barrierefreien Bäder, die für die insgesamt 60 Pflegeplätze des Heims bereits als »fix und fertige Einheiten« angeliefert wurden, aus Maulbronn. »Natürlich wäre es auch billiger gegangen, aber die Klimabilanz muss stimmen«, sagte der GWG-Geschäftsführer. Für Qualität und Nachhaltigkeit müsse man eben tiefer in die Tasche greifen. Dafür erfülle das Quartiershaus nun auch den hohen energetischen Standard »KfW 40«.

Zugegeben: Die Koordination zwischen drei Bauträgern, die bei einzelnen Aspekten auch ihre eigenen Interessen durchsetzen wollten und eigene finanzielle Vorstellung mitbrachten, sei nicht immer leicht gewesen, führte Wulfrath weiter aus. »Vor allem war es schwierig, an die Genehmigungen zu kommen.« Durch die Verbindung der unterschiedlich genutzten Bauelemente im Quartier musste beispielsweise in puncto Brandschutz auch für die Wohneinheiten ein höherer Standard gewählt werden als üblich - eben der, der auch für ein Pflegeheim gilt. »Es war wirklich bewundernswert, mit was für einer Seelenruhe der Architekt die Pläne immer wieder angepasst hat«, sagte Wulfrath.

Beauftragt mit dem Projekt ist die Reutlinger Architektenpartnerschaft Schwille. »Wir haben fünf Jahre intensiv an dem Areal gearbeitet«, erklärte Planer Andreas Ertel. Viele Sonderkonstruktionen mussten umgesetzt werden, »wir haben alles an Schwierigkeiten gehabt, was man so haben kann.« Trotzdem sei man mit einer vertretbaren, kleinen Verzögerung nach rund drei Jahren Bauzeit zu einem gelungenen Abschluss gekommen. »Die Zusammenarbeit hat gut geklappt.« Mit dem Ergebnis, dass die verschiedenen Einrichtungen autark funktionieren.

Die Schul- und Betreuungsräume der Grundschule am Hechinger Eck sind über einen hellen Aufenthaltsraum miteinander verbunden.
Die Schul- und Betreuungsräume der Grundschule am Hechinger Eck sind über einen hellen Aufenthaltsraum miteinander verbunden. Foto: Paul Runge
Die Schul- und Betreuungsräume der Grundschule am Hechinger Eck sind über einen hellen Aufenthaltsraum miteinander verbunden.
Foto: Paul Runge

Schule, Pflegeheim und Wohneinheiten sind zwar im gleichen Gebäude angesiedelt, aber dennoch räumlich geschickt voneinander getrennt. Die 29 neuen Mietwohnungen - zwischen zwei bis fünf Zimmer und 44 bis 106 Quadratmeter groß - sind durch eigene Treppenhäuser und Aufzüge zu erreichen und im oberen Teil des Quartiergebäudes angesiedelt. Alle werden gefördert und an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein vermietet, zu einem Preis, der deutlich unter dem Tübinger Mietspiegel liegt. »Drei Mieteinheiten sind außerdem rollstuhlgerecht konzipiert«, erklärte Geschäftsführer Wulfrath.

Auf den Zwischenetagen zieht sich das Pflegeheim mit 57 Dauer- und drei Kurzzeitpflegeplätzen durch den Komplex. Zwei innenliegende Dachterrassen ermöglichen barrierefreie Aufenthalte im Freien, insbesondere für Menschen, die umfassende Aufsicht benötigen. Im Erdgeschoss sind die neuen Räume der Grundschule am Hechinger Eck untergebracht - inklusive Küche, Mensa für die Kinder und Aufenthalt- sowie Betreuungsräumen neben den Klassenzimmern. Zur Bundesstraße hin ist zudem auf rund 400 Quadratmetern eine Apotheke eingezogen, die das Pflegeheim bei Medikamenten-Engpässen und Notfällen schnell beliefern kann. Bei der modernen Quartierplanung greift eben alles ineinander - für alle Generationen. (GEA)