TÜBINGEN. Zwischen Gegnern und Befürwortern des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer von den Grünen ist erneut Streit ausgebrochen. Insgesamt existieren drei Briefe - zwei von Gegnern und einer von den Befürwortern des umstrittenen Stadtoberhaupts. Deren Verfasser wollen, dass die Schreiben an die Mitglieder des Stadtverbands verschickt werden.
Bei einer Versammlung am Mittwochabend wollten die Mitglieder zunächst über einen Aufruf der Alternativen Liste gegen den Parteiausschluss von Palmer diskutieren. Darin heißt es, Palmers Äußerungen über den Fußballer Dennis Aogo seien kein Beweis dafür, dass er ein Rassist sei und dass er vorsätzlich gegen die Grundsätze der Partei verstoße. Eigentlich wollten die Grünen eine Diskussion über die Personalie Palmer bis nach der Bundestagswahl im September vertagen.
Ein zweiter Brief, unterschrieben von 50 Tübinger Bürgern schwarzafrikanischer Herkunft dagegen geht mit Palmer hart ins Gericht. »Es ist Zeit, ein Ende der von 2012 bis 2021 laufenden rassistischen Beleidigungen und Hetze aus dem Tübinger Rathaus durch den Grünen Oberbürgermeister zu finden«, steht in dem Schreiben. Darin fordern die Unterzeichner unter anderem, die Bewerbung von Palmer als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters 2022 abzulehnen.
Ein drittes Schreiben stammt auch von Gegnern von Palmer. Auch darin wird eine erneute Kandidatur Palmers abgelehnt. »Wir sollten uns bewusst machen, zu welchem Preis Tübingen in den überregionalen Medien immer wieder auftaucht. Eine erneute Legislatur von Boris wird die Partei weiter spalten und noch stärker Ressourcen in Anspruch nehmen, die zielgerichteter und sinnvoller für eine grüne Politik in Tübingen eingesetzt werden könnten«, schreiben die Verfasser.
Der Brief der Alternativen Liste war verbunden mit der Bitte, den Aufruf an alle rund 450 Mitglieder des Stadtverbands zur Unterzeichnung des Aufrufs zu schicken. »Manchmal treiben mich meine Parteifreundinnen und Parteifreunde in die Verzweiflung«, sagte Marc Mausch vom Tübinger Stadtvorstand. »Eigentlich haben wir in der Frage der OB-Wahl ein klares Vorgehen beschlossen: Jetzt ist erstmal Bundestagswahl.« Jetzt sei Einigkeit und Wahlkampf gefragt. »Danach dann werden wir in guter grüner Manie heftig über die Personalie Boris Palmer und die OB-Kandidatur streiten. Um dann ebenso einig hinter unserer dann zu fällenden Entscheidung zu stehen.«
Bei jeder Gelegenheit schießt laut Mausch aber jemand quer. »Die einen fordern den Parteiausschluss, die anderen schreiben offene Briefe. Die einen unterwandern gefasste Beschlüsse, die anderen suchen die Öffentlichkeit, um sich innerparteilich durchzusetzen.«
Palmer hatte vor einigen Wochen in einem Beitrag über den früheren Nationalspieler Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Die Grünen wollen ihn nun aus der Partei ausschließen. Palmer betonte, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen. Anfang Mai stimmten 161 Delegierte beim Landesparteitag für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen, 8 enthielten sich.
Palmer sagte später, es wäre gescheiter gewesen, diese Worte gar nicht zu posten. »Ich hatte keine Ahnung, welches Erdbeben ich da mal wieder auslöse«, schrieb er auf Facebook. Wegen zahlreicher provokanter Äußerungen liegt die Partei seit langem mit ihm im Clinch. (dpa)