TÜBINGEN. Am Amtsgericht Tübingen wurden am Donnerstag zwei Brüder aus Mössingen zu Haftstrafen verurteilt, der jüngere kam mit Bewährung davon. Maßgeblich für das Urteil von Richter Benjamin Kehrer war seine Ansicht zum Grad der Auseinandersetzung zwischen dem älteren Bruder und dem Inhaber sowie dem Geschäftsführer der Tübinger Szenekneipe »Schwarzes Schaf«, für die der jüngere als Türsteher gearbeitet hatte.
Der heute 26 Jahre alte Mann – der jüngere, der beiden Brüder aus Mössingen, die sich vor dem Schöffengericht zu verantworten hatten – war im vergangenen Jahr in seiner Tätigkeit als Türsteher für das »Schwarze Schaf« wegen Körperverletzung angezeigt worden. Ihm sei von den Betreibern zugesagt worden, dass sie ihm Auslagen für Anwalts- und Gerichtskosten erstatten würden. Das sei in der Szene so üblich. Während des Verfahrens nahm der als Zeuge geladene Geschäftsführer der Kneipe den Beginn der Auseinandersetzung auf seine Kappe. Er sei mit der Zahlung an den Mann säumig gewesen.
Das Eintreiben des Gelds, es soll sich um 1.500 Euro gehandelt haben, übernahm der ältere Bruder, heute 28 Jahre alt. Im Oktober 2023 gegen fünf Uhr morgens, als der Laden schloss, passte er den Inhaber und den Geschäftsführer ab. Zunächst, so die Zeugen, habe er nur 1.500 Euro für seinen Bruder verlangt. Kurz später soll er 6.000 Euro und den Türsteherjob am »Schwarzen Schaf« für sich gefordert haben.
Schwere räuberische Erpressung durch Drohung mit einem Messer?
Die Drohungen des älteren Bruders gegenüber Inhaber und Geschäftsführer des Lokals wurde von einem anderen Angestellten des »Schwarzen Schafs« beobachtet. Dieser Mann arbeitete am unteren Eingang in der Mühlstraße. Der Angreifer habe die beiden anderen Männer an der Mauer, wenige Meter weiter die Straße hinunter, in die Enge getrieben. Der 28-Jährige habe ein Messer hinter seinem Rücken gehalten.
Widersprüchlich dazu war die Aussage dieses Zeugen, der Mann solle den Inhaber und Geschäftsführer der Kneipe am Kragen gepackt haben, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Zudem habe er beiden Männern gedroht »Ich stech‘ Euch ab! Ich knall Euch ab!« Das Geld wurde am selben Tag mittags übergeben, der ältere Bruder nahm es an sich. Der jüngere Bruder soll dabei anwesend gewesen sein.
Geschädigte zeigten den Vorfall an, schwächten ihre Aussagen später ab
Der Inhaber und der Geschäftsführer des Lokals brachten den Vorfall im Dezember 2023 zur Anzeige, es soll weitere Forderungen und Drohungen gegeben haben, um später ihre Aussagen abzuschwächen. Beide machten vor dem Schöffengericht Gedächtnislücken geltend. »Sie hatten Angst vor dem Angeklagten«, schloss Richter Benjamin Kehrer. Er und die Schöffen stützten sich vor allem auf die Protokolle der als Zeugen geladenen Polizisten, welche die Aussagen von Inhaber und Geschäftsführer des »Schwarzen Schafs« aufgenommen hatten.
Die Verteidiger der beiden Brüder plädierten auf Freispruch. Es sei keine Bereicherungsabsicht nachzuweisen. Richter Kehrer stimmte zu, was die Summe von 1.500 Euro betreffe. Die Forderung sei berechtigt gewesen. Die darüberhinausgehende Forderung von 4.500 Euro jedoch nicht: »Das konnten die Geschädigten nicht erklären. War es Strafe? War es Schutzgeld?«
Der ältere Bruder wurde als Wiederholungstäter eingestuft
Kehrer wandte ein, es gebe einen »logischen Widerspruch«, was das Messer betreffe. Es könne vom älteren Bruder nicht eingesetzt worden sein, wenn dieser den Inhaber am Kragen gepackt habe, was dieser in seiner Aussage verklausuliert bestätigt hatte. Der Richter ließ daher die Anklage wegen schwerer räuberischer Erpressung fallen. Bei räuberischer Erpressung blieb das Gericht.
Der ältere Angeklagte tat sich keinen Gefallen damit, das Gericht heftig zu beschimpfen, nachdem sein Urteil verkündet worden war. Er fiel Richter Kehrer ins Wort: »Ich hab‘ kein Bock auf Dein Gelaber!« Er muss weitere drei Jahre in Haft. In dieses Urteil spielte hinein, dass der 28-Jährige mehrfach einschlägig vorbestraft und 2019 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Dem Mann sei es egal gewesen, dass die Geschädigten Angst bekamen, so Richter Kehrer, der Mann habe »versucht, offen das Faustrecht durchzusetzen.«
Der jüngere Bruder schrammte haarscharf an Mittäterschaft vorbei
Der jüngere Bruder wurde ebenfalls verurteilt, wegen Beihilfe, zu einem Jahr auf Bewährung, die für drei Jahre gilt. Der 26-jährige sei »haarscharf an Mittäterschaft vorbeigeschrammt«, sagte der Richter. Dieser Mann habe, im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, keine lenkende Rolle ausgefüllt. Man müsse in diesem Fall von untergeordneter Beihilfe sprechen. Weitere Zumessungspunkte seien, dass die Geschädigten nicht verletzt worden seien. (GEA)