TÜBINGEN. Zu den vererbbaren Variationen innerhalb einer Art tragen kleine Unterschiede in der DNA-Sequenz bei, aber auch chemische Modifikationen der DNA, sogenannte epigenetische Veränderungen. Um deren Bedeutung für die Evolution von Pflanzen besser zu verstehen, untersuchte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Oliver Bossdorf vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen jetzt in einer europaweiten Studie zahlreiche Populationen des Ackerhellerkrauts.
Die Forscher verknüpften DNA-Sequenzen und Umweltdaten der Herkunftsorte mit der epigenetischen Variation dieser Wildpflanze. Ihren Ergebnissen zufolge wird ein großer Teil der epigenetischen Markierungen vor allem durch die DNA-Sequenz bestimmt. Ein Teil der epigenetischen Variation steht aber stark im Zusammenhang mit den klimatischen Bedingungen der Pflanzenherkunftsorte. In der Landwirtschaft könnte das Ackerhellerkraut künftig als Winterdeckfrucht und als Grundlage für Biokraftstoff an Bedeutung gewinnen.
Das Ackerhellerkraut oder auch Ackerpfennigkraut, lateinisch Thlaspi arvense, ist eine einjährige weiß blühende Wildpflanze aus der Familie der Kreuzblütler, die in großen Teilen Europas und in Asien beheimatet ist. Ihren deutschen Namen erhielt sie aufgrund der Form ihrer runden Früchte, die an Münzgeld erinnern. Für die Studie sammelten die Forscher europaweit in 207 wilden Populationen des Ackerhellerkrauts Samen und zogen deren Nachkommen im Labor unter Standardbedingungen auf. Aus Proben dieser Pflanzen analysierten sie dann deren komplette DNA-Sequenzen sowie die »Methlyome«, die Gesamtheit der DNA-Methylierungen – wichtige epigenetische Veränderungen, die beeinflussen, ob und wie häufig bestimmte Gene abgelesen werden.
Potenzielle Nutzpflanze
"Man kann die Bedeutung der Epigenetik für die Evolution und Anpassungsfähigkeit von Pflanzen nur verstehen, wenn man umfangreiche und hoch aufgelöste Daten sowohl zur Genetik als auch Epigenetik vieler Pflanzenherkünfte und zu deren Umweltbedingungen hat. Bisher gab es solche Daten ausschließlich für wenige Modellpflanzen, sagt Oliver Bossdorf. Gemeinsam mit dem Forschungsteam habe er nun erstmals eine solche Kombinationsuntersuchung an einer Wildpflanze vorgenommen, die an zahlreichen natürlichen Standorten gesammelt wurde.
Das Ackerhellerkraut werde aktuell als Grundlage für einen neuen Biotreibstoff gezüchtet und solle künftig auch als Deckfrucht von Feldern im Winter eingesetzt werden, berichtet der Wissenschaftler. »Unsere Ergebnisse könnten daher auch für die Landwirtschaft nutzbar sein, vor allem beim Anbau des Ackerhellerkrauts unter sich verändernden Klimabedingungen.« (eg)