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Die Tübinger Linke trotzt dem Trend und wächst

Der Tübingen Kreisvorstand der Linken vermeldet einen Mitgliederzuwachs und freut sich über besonders viele Eintritte junger Menschen. Aber die prominenteste Politikerin ist still und leise ausgetreten.

Viermal nacheinander war Heike Hänsel als Abgeordnete der Linken im Bundestag. Vor einem Jahr ist sie ausgetreten, ohne es an di
Viermal nacheinander war Heike Hänsel als Abgeordnete der Linken im Bundestag. Vor einem Jahr ist sie ausgetreten, ohne es an die große Glocke zu hängen. Foto: Foto: Goerlich
Viermal nacheinander war Heike Hänsel als Abgeordnete der Linken im Bundestag. Vor einem Jahr ist sie ausgetreten, ohne es an die große Glocke zu hängen.
Foto: Foto: Goerlich

KREIS TÜBINGEN. Lange war Heike Hänsel eine der bekanntesten Politikerinnen der Linken. Sie war schon dabei, als die Linkspartei gegründet wurde. 16 Jahre, von 2005 bis 2021, war die diplomierte Ernährungs- und Haushaltswissenschaftlerin Bundestagsabgeordnete. 2015 rückte sie an die Fraktionsspitze, wurde stellvertretende Vorsitzende und blieb dies bis zum Ende ihrer Abgeordnetenzeit. Nun sickerte durch: Hänsel hat schon Ende vorigen Jahres einen Schlussstrich gezogen. Bei der Gründung des Landesverbands des Bündnisses Sahra Wagenknecht vor wenigen Wochen in Stuttgart blieb sie zwar im Hintergrund, politischen Beobachtern fiel allerdings auf, dass die 58-Jährige zu den Teilnehmern zählte. Die Reutlingerin Jessica Tatti war dort mit 100 Prozent der Stimmen zur Vorsitzenden gewählt worden.

Hänsel hatte den Abschied 2023 nicht öffentlich gemacht, war aber schon davor nicht mehr für die Linke in Erscheinung getreten. Auf Nachfrage nennt sie heute »persönliche und politische Entfremdung« als Gründe für die Entscheidung, die Partei zu verlassen. Wer sich mit ihr unterhält, merkt rasch, dass die Friedensaktivistin in außenpolitischen Fragen mit dem Kurs der Linken unzufrieden ist. Liegt ihr die Linie der BSW mehr? Sahra Wagenknecht kennt sie gut. »Ich habe lange in der Fraktion mit ihr zusammengearbeitet«, betont sie. Wagenknecht und Dietmar Bartsch waren Vorsitzende, Hänsel hatte die Stellvertretung inne.

Der Weggang hat viele überrascht

Im Tübinger Kreisvorstand hält man sich mit Urteilen zurück. Bernhard Strasdeit war lange Jahre Landesgeschäftsführer und Kreisrat. Er betont, dass für den Vorstand bisher keine Veranlassung bestanden hat, das Ausscheiden von Hänsel bekannt zu machen. »Solange sie es nicht selber publik gemacht hat, haben wir nichts gesagt.« Natürlich habe der Weggang viele überrascht und geschmerzt. »Wenn man viermal Wahlkampf mit ihr und für sie gemacht hat, ist das schon hart.« Schließlich habe man sich auch stets sehr dafür eingesetzt, dass sie auf der Landesliste der Linken möglichst weit vorn landete - wie zuletzt auch bei Jessica Tatti.

Den neuen Mitgliedertrend nimmt Strasdeit erfreut zur Kenntnis. »Viele melden sich übers Netz. Und die Jungen wollen die soziale Frage und die Klimafrage miteinander verknüpfen«, hat der 70-Jährige beobachtet, der Mitglied im Ältestenrat der Bundespartei ist.

Zwei Drittel unter 30 Jahre

Fabian Everding als Sprecher des Kreisverbands findet, dass die gute Nachricht für die Partei möglichst weit in die Öffentlichkeit getragen werden soll. »Wir freuen uns, dass wir seit November 2023 eine richtige Eintrittswelle haben. 50 Menschen sind in den Tübinger Kreisverband eingetreten, davon zwei Drittel unter 30 Jahre alt. Damit haben wir als Kreisverband erstmals 190 Mitglieder. Das zeigt, dass Die Linke vor allem für junge Menschen attraktiver geworden ist«, verkündet der Kreisverband dieser Tage entsprechend in einer Pressemitteilung.

Maggie Paal, seit 2014 Kreisrätin der Linken, weiß ebenso wie Strasdeit, dass Tübingen im Land als Sonderfall gilt. »Wir sind ein stabiler Kreisverband«, sagt die 46-Jährige. Strasdeit verweist als Beispiel auf die Europawahl, bei der die Linken überall sehr viel schlechter abgeschnitten haben. Aber in Tübingen blieb die Partei trotz Verlusten bei der Zahl der Gemeinderatssitze und Kreistagssitze stabil. In beiden Gremien hat man weiterhin vier Vertreter.

Paal sagt scherzhaft: »Man kommt mit der Begrüßung der Neuen kaum hinterher.« Nach ihrer Beobachtung kommen die Neumitglieder mit neuen Ideen und der Lust, aktiv mitzuarbeiten. »Sie haben ein großes Interesse am Erhalt einer linken politischen Kraft.« (GEA)