TÜBINGEN. Wer bisher in den Tübingen den Neckar auf Höhe des Stauwehrs mit dem Rad überqueren wollte, musste absteigen. Was die wenigsten taten. Nur einer schob immer: Oberbürgermeister Boris Palmer. »Ich wäre allein durch mein Gesicht bußgeldfähig gewesen.« Die anderen Radler drückten sich an ihm vorsichtig radelnd vorbei. »Die Brücke des schlechten Gewissens«, nannte Palmer deshalb den Übergang. Die Zeit des schlechten Gewissens ist vorbei. Die neue Radbrücke Ost wurde gestern eröffnet.
»Die Brücke des schlechten Gewissens«
Auf zwei Spuren geht es nun für die Radfahrer auf einer Länge von 85 Metern und einer Breite von vier Metern am Stauwehr vorbei. Nördlich mündet die Brücke in die Brückenstraße, die derzeit zur Fahrradstraße umgebaut wird. Südlich des Neckars führt die Verbindung auf das Blaue Band in der Schaffhausenstraße und schließt damit die Lücke im Radverkehr zwischen Gartenstraße und Schaffhausenstraße. In der kalten Jahreszeit kann der Fahrbahnbelag beheizt werden. Damit ist die Brücke das ganze Jahr über befahrbar, ohne dass Korrosionsgefahr besteht.
Rund sechs Millionen Euro hat das Bauwerk gekostet. 3,5 Millionen Euro werden über Fördermittel aus Bund und Land finanziert. Eine stolze Summe, von der selbst Palmer vor zehn Jahren nicht gedacht hatte, dass sie einmal in den Radverkehr fließen werde. Damals habe die Stadt jährlich 500.000 Euro für die Radler ausgegeben.
Wirtschaftlich wird die Brücke allerdings erst, wenn sie ihren eigentlichen Zweck erfüllt: Teil der Verbindung Richtung Güterbahnhofsviertel zu sein. Dazu muss aber erst noch ein Tunnel unter der Bahnlinie gebaut werden. Das werde ähnlich anspruchsvoll wie die Brücke, sagte Palmer.
Tunnel kommt in drei bis vier Jahren
Besonders teuer sei das Bauen im Fluss gewesen, so der Oberbürgermeister. Ähnliches droht beim Tunnel. Der wird wohl im Grundwasser gebaut werden müssen. In drei bis vier Jahren rechnet Palmer mit seiner Fertigstellung.
Die neue Verbindung ist die zweite von insgesamt vier neuen Radbrücken in der Unistadt. An der Brücke vom Anlagenpark zum Behördenviertel wird schon kräftig gebaut. Sie gehört ebenfalls zu dem »Superradwegenetz Tübingen«, das als blaues Band seit geraumer Zeit am Bahnhof zu erkennen ist. (iwa)