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Die letzten Floristinnen

Zu viel Massenware und schlechter Verdienst? Die Zahl der Azubis ging stetig zurück

Anspruchsvolle Aufgaben, gut gelöst von den letzten Prüflingen (von links): Janina Jungbeck, Nicole Früh, Josephine Jud und Clau
Anspruchsvolle Aufgaben, gut gelöst von den letzten Prüflingen (von links): Janina Jungbeck, Nicole Früh, Josephine Jud und Claudia Zeeb. FOTO: PIETH
Anspruchsvolle Aufgaben, gut gelöst von den letzten Prüflingen (von links): Janina Jungbeck, Nicole Früh, Josephine Jud und Claudia Zeeb. FOTO: PIETH

TÜBINGEN/REUTLINGEN. Blumen zum Abschied? Das ist fast überall Standard. Die Freude ist dabei umso größer, wenn es sich um besondere Sträuße handelt. Am Mittwoch in der Mathilde-Weber-Schule gab’s Kränze, Gestecke und Sträuße, die gleich im doppelten Sinne etwas Besonderes waren: Vier Azubis der Floristik legten in Tübingen ihre praktische Prüfung ab. Und weil sich für den Berufszweig immer weniger junge Leute begeistern, waren sie die Letzten, die sich hier nach ihrer dualen Ausbildung mit ihren eigenen Kreationen verabschiedeten.

Mit der gestrigen Prüfung endete dieses Kapitel der Floristik in der Region. Mittlerweile ist die Zahl der Azubis so gering, dass man auch keine Ausnahmegenehmigung mehr bekam, um weitere Jahrgänge auszubilden.

Künftig wird Floristik noch in Hohenheim und Göppingen angeboten. Sollte der Trend anhalten, gibt’s vielleicht bald sogar nur noch Landesfachklassen in dem Beruf, der bis 1967 die Bezeichnung Blumenbinderin trug. Ein typischer Frauenberuf damals und heute. Alle Absolventinnen gestern waren Frauen. Allerdings waren im Vorjahr drei von acht Prüfungsteilnehmern in Tübingen Männer gewesen.

7 000 Jahre Tradition

Lehrerin Gaby Frey-Bantle und Petra Brenner von der Industrie- und Handelskammer bedauerten in ihren Abschlussworten die Entwicklung. Brenner bekannte, den praktischen Teil der Prüfung habe man stets besonders gern begutachtet. Die Tradition geht weit zurück. Schon vor rund 7 000 Jahren spielte Dekoration mit Blumen und Pflanzen eine wichtige Rolle.

Die Gründe für die Abkehr vom Beruf sieht Brenner zum einen in der modernen Produktion von Massenware. »Der Markt hat sich verändert. 20 Rosen für 1,99 Euro – das gibt’s nicht im Fachhandel« – in manchen Supermärkten schon, trotz aller Diskussionen um Wassermangel, schlechte Arbeitsbedingungen in Ländern der Dritten Welt oder den Einsatz von Pestiziden. Der zweite Grund sind die mangelnden Verdienstmöglichkeiten. Ein Mechatroniker startet nach der Ausbildung mit dem doppelten Lohn.

Eigentlich hätten IHK und Schule die Ära gern mit einem größeren Fest abgeschlossen. 30 Jahre lang fanden die Abschlussfeiern beim Blumengroßmarkt Fleur Dispo in Reutlingen statt. Die Coronakrise machte allen Beteiligten diesmal einen Strich durch die Rechnung. Als Kompromiss hatte man gestern im Anschluss die mehrstündige Prüfung Familien, Freunde, Kollegen und die Presse eingeladen und zeigte die Werkstücke im Hof der Schule.

Claudia Zeeb (Gärtnerei Stefan, Tübingen), Nicole Früh vom Heim in Mariaberg, Josephine Jud (Gärtnerei Wurster, Dettingen/Erms) und Janina Jungbeck (Blumenhaus Kieß, Betzingen) hatten zunächst eine Skizze, eine Kalkulation und eine Materialliste erstellt und dann im letzten Schritt drei Arbeitsproben geliefert. Sträuße, Pflanzgefäße und Gefäß-Füllungen wurden ebenso streng begutachtet wie die komplexeren Teile (wahlweise für eine Hochzeit oder einen Trauerfall).

Alle vier lieben die Vielfalt, die ihr Beruf mit sich bringt. Und auch, was die Ansprüche angeht, waren sie sich einig. Ganz zufrieden ist man nie, lautete die Einschätzung der Prüflinge im Hof. Hinterher wisse man immer noch was, was man vielleicht doch noch besser hätte machen können. (GEA)