KREIS TÜBINGEN. Sie wirken wie Zahlen aus einer guten alten Zeit. Zufällig fast zeitgleich zu den aktuellen Arbeitsmarkt-Daten seit dem Corona-Lockdown stellte die Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Tübingen dem Sozial- und Kulturausschuss des Kreistags den Jahresbericht des Jobcenters für 2019 vor. Die »gute Entwicklung«, von der Ellen Klaiber sprach, dürfte Geschichte sein. Aber gegenüber den zunächst düsteren Prognosen aus der Nürnberger Zentrale sieht sie doch »einen Silberstreif« bis zum Jahresende.
Man hätte gern angeknüpft an ein »wirklich gutes Jahr«, sagt Klaiber, obwohl sich schon im Herbst eine konjunkturelle Eintrübung abzeichnete. Zu den Erfolgen des Tübinger Jobcenters auch im Rahmen des novellierten Teilhabegesetzes zählt die Chefin 71 geförderte Fälle von mehr als sechs Jahre lang arbeitslosen Menschen statt der erwarteten 50. Von denen waren am Jahresende, worüber sich Klaiber besonders freut, 30 Prozent Frauen: »Ein richtig gutes Ergebnis.« Den dafür um rund zwei Millionen Euro aufgestockten Etat habe das Jobcenter »voll ausgegeben für die Kunden und wirklich sinnvoll eingesetzt«.
Dann kam Corona. Im März, als das Amt auf den Mühlbachäckern – »zum ersten Mal in seiner Geschichte« – vollständig für den täglichen Besucherverkehr geschlossen werden musste, habe man an den Zahlen »noch gar nicht viel gespürt«. Wichtig war zunächst »die Sicherstellung der Leistungen für unsere Kunden«. Das hat offenbar sehr gut geklappt: »Es war toll, wie flexibel unsere 110 Mitarbeiter reagiert haben. Man hat in der Krise zusammengeholfen«, sagt Klaiber.
In jenen Märztagen kam allerdings aus Nürnberg ein rabenschwarzes »Worst-Case-Szenario«, das von einer Verdoppelung der Zahl an Hartz 4-Empfängern im Jahresverlauf ausging. »Und im Mai hat sich dann tatsächlich das Blatt komplett gewendet«, auch in Tübingen: Um 18,8 Prozent schnellte zunächst die Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vorjahresmonat in die Höhe, im Juni laut aktuellen Daten gar um 64 Prozent.
Mit der entsprechenden Verzögerung machte sich das auch bei der Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften bemerkbar: 4.146 Haushalte im Kreis Tübingen erhielten im Juni Hartz-4-Leistungen, ein Anstieg von 22,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Am Ende aber wird es nicht ganz so schlimm kommen wie bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg zunächst befürchtet, hofft die Jobcenter-Chefin und entnimmt das auch den Trends bei Kurzarbeit, Stellenangeboten und Lehrstellenmarkt: »Wir rechnen zum Jahresende mit sechs Prozent mehr Leistungsempfängern im Kreis.«
Im guten Jahr 2019 war das Jobcenter »mit intensiver Beratung, gezielter Vorbereitung und intensivem Coaching sehr erfolgreich« bei der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen, bilanziert sie in ihrem Bericht. Es bleibe aber »die Herausforderung mit einem Anteil von 70 Prozent Ungelernten und einem Arbeitsmarkt, der seinen Fachkräftemangel nicht decken kann«. (GEA)